Langenberg – Eine Gemeinde unter Schock
Im Zuge der Missbrauchs-Enthüllungen über Kardinal Hengsbach sind auch gegen seinen Bruder Paul Hengsbach, früher Pfarrer in Langenberg, Vorwürfe laut geworden.

Im Zuge der Missbrauchs-Enthüllungen über Kardinal Hengsbach sind auch gegen seinen Bruder Paul Hengsbach, früher Pfarrer in Langenberg, Vorwürfe laut geworden. Bei einer Gemeindeversammlung erklärte Thomas Wendland, Interventionsbeauftragter des Erzbistums, diese seien absolut glaubhaft.
Langenberg (-haus). Das Denkmal von Kardinal Franz Hengsbach ist im wahrsten Sinne des Wortes gefallen, nachdem plausible Missbrauchsvorwürfe gegen den Gründungsbischof des Ruhrbistums vom Bistum Essen öffentlich gemacht worden waren (siehe Dom-Ausgabe Nr. 39). In Langenberg, wo Paul Hengsbach mehr als drei Jahrzehnte – von 1965 bis 1998 – Pfarrer der Gemeinde Lambertus und Laurentius war, gibt es zwar kein Denkmal des Geistlichen, doch das Bild des Priesters, der für mehrere Generationen der Langenberger Katholiken „unser Pastor“ war, dürfte zerstört sein. Bei den Gläubigen herrscht laut Gemeindereferentin Claudia Becker „absolute Fassungslosigkeit“.
In „Doppel“-Fall Hengsbach gibt es einige Besonderheiten, wie der Interventionsbeauftrage des Erzbistums Paderborn Thomas Wendland während einer Gemeindeversammlung, die vom Pastoralteam des Pastoralverbunds Reckenberg kurzfristig einberufen worden war, erläuterte: Üblicherweise werden Missbrauchsmeldungen gegen verstorbene Priester nicht so transparent kommuniziert und keine Namen genannt. Da es aber einen direkten Zusammenhang mit den Vorwürfen gegen den 1991 verstorbenen Kardinal gibt und dieser eine Person des öffentlichen Interesses ist, wurde auch der Name von Paul Hengsbach veröffentlicht.
Keinerlei Zweifel an der Richtigkeit der Vorwürfe
Wendland erläuterte in der Versammlung noch einmal detailliert die Vorgehensweise und den Umgang des Erzbistums Paderborn mit den Anschuldigungen gegen Paul Hengsbach, die aus der Zeit vor dessen Dienst in Langenberg stammen. Insbesondere ein Aspekt weicht von den bisherigen Darstellungen ab. Hieß es bisher, der Geistliche habe gegen ihn erhobene Vorwürfe im Jahr 2010 vehement bestritten, erklärte Wendland den Langenbergern nun, Hengsbach, der mehrfach angehört wurde, habe laut Aktenlage in einer ersten Befragung gesagt, er könne sich an etwas Derartiges „nicht erinnern“ und dann, so zitierte Wendland die Aufzeichnungen, hinzugefügt: „Wenn es so war, dann tut es mir leid.“ Für den Interventionsbeauftragten eine Aussage, die auch andere Schlüsse zugelassen hätte als die, die man damals gezogen habe.
Laut Stellungnahme des Erzbistums hat man den Fall nämlich „als nicht im Rahmen der damals gültigen Verfahrensbestimmungen greifbar“ eingestuft und auch nicht der Kongregation für die Glaubenslehre in Rom vorgelegt. Wendland, der in persönlichem Kontakt zur Betroffenen steht, hat nach eigener Aussage keinerlei Zweifel an der Richtigkeit der Vorwürfe gegen Paul Hengsbach, die auch keine Grenzverletzungen oder Übergriffe darstellten, sondern sexualisierte Gewalt. Nach einer Beschwerde durch die Betroffene und einer erneuten Prüfung wurde 2019 ein Antrag auf Anerkennung des Leids und im vergangenen Jahr ein Folgeantrag bei der Unabhängigen Kommission für Anerkennungsleistungen eingereicht und positiv entschieden.
Es hat eine Rechtsveränderung gegeben
Im Gespräch mit dem Dom erläuterte Wendland noch einmal die Diskrepanzen, die sich heute im Rückblick ergeben. Unter anderem sei das Alter – die Betroffene war 16 – 2010 noch anders beurteilt worden, als dies aktuell der Fall sei: „Da hat es eine Rechtsveränderung gegeben.“ Heute, so der Interventionsbeauftragte weiter, würde man die Meldungen zu Paul Hengsbach zusammen betrachten und andere Schlussfolgerungen ziehen. Dabei dürfe man nicht vergessen, dass es bei Anschuldigungen gegen Verstorbene keine Gewissheit geben könne: „Wenn im juristischen Sinne nichts bewiesen werden kann, steht die Frage der Plausibilität im Mittelpunkt.“
Beate Roth ist Pfarrgemeinderatsvorsitzende in Langenberg und hat viele persönliche Erinnerungen an Pfarrer Hengsbach: „Er war eine Institution.“ Als Pfarrer vom „alten Schlag“ habe er seine „Ecken und Kanten“ gehabt, doch was jetzt öffentlich werde, sei für die Menschen in Langenberg eine Katastrophe. „Wut, Fassungslosigkeit und Niedergeschlagenheit“ – so beschreibt die PGR-Vorsitzende die Situation und erinnert sich gleichzeitig daran, wie sie mit einer Abordnung der Gemeinde Hengsbach zu seinem 65-jährigen Priesterjubiläum an seinem Altersruhesitz in Salzkotten besucht habe. Wenn sie heute an die Worte ihrer Laudatio damals denke, werde es ihr „ganz anders“.
Aufarbeiten und weitermachen
Sie könne die Menschen verstehen, die sich in dieser Situation von der Kirche abwendeten, so Beate Roth weiter, sie persönlich setze darauf, dass trotz der aktuellen „Schockstarre“ gemeinsam ein Weg gefunden werde, „aufzuarbeiten und weiterzumachen“: „In der Gemeinde herrschte bisher eine positive Stimmung, die Arbeit vor Ort lief gut, das Pastoralteam hat für eine offene Atmosphäre gesorgt.“ Forderungen, die Vorfälle mit einem „Schwamm drüber“ zu den Akten zu legen, habe sie bisher nicht gehört, sagt sie. Das dürfe auch auf keinen Fall geschehen.
Ein Punkt, in dem ihr Pfarrdechant Rainer Edeler als Leiter des Pastoralverbunds Reckenberg, zu dem die Langenberger Gemeinde gehört, zustimmt. Die Tageszeitung „Die Glocke“ zitiert ihn so: „Zu sehen, wie die Statue von Kardinal Hengsbach abgebaut wird, ist hart. Das Leid der Betroffenen zu erfassen, ist ungleich härter.“ Ob es auch Fälle aus Hengsbach Zeit in Langenberg gibt, ist derzeit offen. Bei der Versammlung appellierte Wendland deshalb an mögliche Betroffene, sich zu melden.
Ansprechperson
Thomas Wendland, Tel.: 0171 863 1898; E-Mail: thomas.wendland@erzbistum-paderborn.de

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