Häuser mit katholischem Flair – NRW-Minister Karl-Josef Laumann im Gespräch
Karl-Josef Laumann ist bekannt dafür, dass er deutliche Worte findet. Der NRW-Minister über seine Pläne und die Zukunft kirchlicher Kliniken.

Karl-Josef Laumann ist bekannt dafür, dass er deutliche Worte findet. Der NRW-Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales sprach mit den Kölner Kollegen über seine Pläne, über die Zukunft kirchlicher Kliniken und ging mit seiner katholischen Kirche deutlich ins Gericht.
Herr Laumann, als Gesundheitsminister werden Sie an jeder Ecke um Mittel gebeten. Beim Thema Krankenhausfinanzierung kommen Wünsche auf den Tisch, die nicht zu finanzieren sind. Wie wollen Sie gewährleisten, dass konfessionelle Krankenhäuser, die in unserem System eine relativ große Rolle spielen, auch in Zukunft noch existieren können?
Karl-Josef Laumann: „In Nordrhein-Westfalen haben rund zwei Drittel unserer Krankenhäuser einen kirchlichen Hintergrund. Es gibt kein Bundesland, wo das so stark der Fall ist wie bei uns. Dann haben wir eine relativ starke kommunale Schiene, vor allen Dingen in den großen Städten, aber auch in Ostwestfalen. Im Münsterland, im Sauerland und im Rheinland haben wir sehr viele kirchliche Krankenhäuser. Es gibt viele gute Krankenhäuser, die auch systemrelevant sind. Wir machen jetzt eine große Krankenhausplanung in Nordrhein-Westfalen, die wollen wir bis Ende 2024 weitgehend umgesetzt haben. Ich will mit dafür sorgen, dass sich das Verhältnis zwischen kirchlichen, kommunalen und privaten Krankenhäusern durch die Reform nicht grundsätzlich verschiebt. Die kirchlichen Krankenhäuser sind in der Regel aber auch sehr gut aufgestellt. Wir haben kaum noch solitäre katholische oder evangelische Krankenhäuser, sondern sie sind heute alle in großen Verbünden.“
Was sind die Kernpunkte der Reform?
Karl-Josef Laumann: „Ich war etwa dreieinhalb Jahre lang Patientenbeauftragter der Bundesregierung, was mir heute sehr zugutekommt. Ich sehe das Gesundheitssystem noch stärker aus Sicht der Patienten und der Patienten-Verbände. Es ist wirklich meine feste Überzeugung und auch meine Verantwortung, dass ein Krankenhaus, das eine medizinische Leistung anbietet, dies auch in einer guten Qualität tut. In meinem kleinen Kosmos zu Hause erlebe ich, dass Menschen, die sehr gut informiert sind, in medizinische Zentren gehen, wenn sie schwer krank werden. Andere, die vielleicht nicht so gut informiert sind, tun das nicht. Das ist nicht gut. Deswegen habe ich gesagt, wir machen eine Krankenhausplanung ohne die Plangröße Bettenzahl. Mich interessieren Struktur, Qualität und Fallzahlen. Dann ist die Idee entstanden, das mit Leistungsgruppen zu machen wie etwa „Allgemeine Chirurgie“ oder „Allgemeine Innere Medizin“. Das hat sich jetzt auch Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach zu eigen gemacht. Für ganz Deutschland haben wir also hier in NRW Maßstäbe gesetzt.“
Das Ganze ist mit sehr vielen Investitionen verbunden. Wo soll das Geld herkommen?
Karl-Josef Laumann: „Erst einmal müssen wir ehrlich sagen, wir müssen mit der Struktur arbeiten, die wir haben. Wir können nicht alles neu bauen, das kann kein Mensch bezahlen. Aber ich habe in dieser Legislatur 2,5 Milliarden Euro im Haushalt für diese Krankenhausreform. Dazu kommen jedes Jahr über 700 Millionen Euro für die sogenannte Pauschalförderung. Ich gehe also davon aus, dass wir das ganz gut hinkriegen, auch wenn es nicht einfach ist. Und ich hoffe, dass der Bund noch mal zusätzliches Geld zur Verfügung stellt – insbesondere mit Blick auf die Betriebskosten.“
Irgendjemand hat mal gesagt, man könnte den Eindruck gewinnen, dass nur noch Größe entscheidend ist und alle Vorteile auf sich vereint. Dabei ist längst nicht bewiesen, dass Größe allein gut ist, oder?
Karl-Josef Laumann: „Ja, das ist so, aber trotzdem ist es in der Gesundheitsversorgung so, dass eine gewisse Fallzahl auch dazugehört, um eine gewisse Qualität garantieren zu können. Es kann auch ein Krankenhaus geben, das nur eine Sache macht, und die macht es gut. Ich kenne zum Beispiel eine Fachklinik in Hemer, die aus der Bergmannstradition entstanden ist und sich allein auf die Lunge spezialisiert hat. Das ist ohne Frage eines unserer besseren Krankenhäuser in Nordrhein-Westfalen. Oder nehmen wir unser Paradebeispiel HDZ, das Herz- und Diabeteszentrum NRW in Bad Oeynhausen, eine der besten kardiologischen Kliniken Europas. Da kann in Deutschland vielleicht noch die Charité in Berlin mithalten. Ein Großteil aller Herztransplantationen findet in Nordrhein-Westfalen mittlerweile in Bad Oeynhausen statt, jährlich mindestens um die 80.“
Momentan sind Telemedizin oder KI-gestützte Medizin ein großes Thema. Sehen Sie darin eine Chance? Für eine Stärkung des Krankenhausbereichs oder auch für eine Verbesserung der Versorgung gerade im ländlichen Raum?
Karl-Josef Laumann: „Ja, auch wenn man die konkreten Auswirkungen oftmals noch nicht richtig einschätzen kann. Es gibt Menschen, die sagen, das wird in den nächsten zehn, zwanzig Jahren die Revolution auf dem Arbeitsmarkt werden wie die Industrialisierung vor 120 Jahren. Nehmen wir das Beispiel Radiologie. Gerade das Auswerten von Röntgenbildern über künstliche Intelligenz ist wahrscheinlich in einer ebenso guten Qualität oder inzwischen sogar in einer höheren Qualität möglich, als das menschliche Gehirn und Auge es können. Da, wo KI uns nützt, sollten wir sie beherzt nutzen. Aber das darf die Emotionalität von Menschen nicht völlig ersetzen. Da muss man ein bisschen aufpassen.
Die Digitalisierung ist auf jeden Fall eine Chance. Ich habe das Virtuelle Krankenhaus geschaffen in Nordrhein-Westfalen. Das hat uns in der Corona-Zeit große Dienste erwiesen. Es mussten teilweise keine Verlegungen von kleinen Krankenhäusern in große mehr gemacht werden, weil Spezialisten aus den großen Krankenhäusern digital beraten haben. Wir haben in NRW zudem die flächendeckende Einführung des Telenotarztes auf den Weg gebracht. Rettungsdienstpersonal kann sich rund um die Uhr mit einem Notarzt in Verbindung setzen. Allein diese beiden Beispiele zeigen: Telemedizin macht vieles besser und sicherer, deswegen bin ich ein Fan davon. Wir haben jetzt mit den Kassenärztlichen Vereinigungen gesprochen und werden mit Blick auf Long Covid über das Virtuelle Krankenhaus auch die Beratung in den Arztpraxen verknüpfen können. Wir können uns so von Räumen unabhängig machen – und das ist natürlich gerade für ländliche Regionen sehr wichtig, wo wir gar nicht mehr die Arzt- oder Facharztdichte haben. Damit kann man die Welt schon besser machen.“
Kommen wir noch einmal auf die Bedeutung der konfessionellen Krankenhäuser zurück. Welche Erwartungen haben Sie als Katholik an konfessionelle, an katholische Kliniken?
Karl-Josef Laumann: „Ein katholisches Krankenhaus muss ein anderes, ein katholisches Flair haben. Abgesehen davon, dass es natürlich gute Medizin anbietet. Katholische Kliniken müssen gute Arbeitgeber sein, aber in der Regel sind sie das auch. Sie zahlen nach Tarif und haben eine gute Altersversorgung. Man muss es ein bisschen merken, dass die Mitarbeiter den Menschen in Grenzsituationen besonders zugewandt sind. Dass nicht einfach nur das Kreuz im Krankenzimmer hängt, sondern dass man die christliche Grundhaltung spürt. Aber das haben unsere katholischen Krankenhäuser meistens auch. Selbst wenn heute in der Regel keine Ordensschwestern mehr da sind, hast du trotzdem noch die Tradition drin.“
Warum glauben Sie denn, dass es aus Patientensicht tatsächlich wichtig ist, das katholische Flair zu spüren?
Karl-Josef Laumann: „Als gläubiger Mensch sage ich, dass es für die Kirche auch eine Riesenchance ist, Menschen in Grenzsituationen zu erreichen. Wir müssen uns als katholische Kirche ganz klar vor Augen halten: Deutschland ist säkular, ist säkularisiert. Da hat sich in einem Menschenleben von einem absolut katholischen Milieu, in dem ich groß geworden bin, selbst in einem Dorf mit rund 6 000 Einwohnern die Welt völlig verändert. Deswegen finde ich, wir müssen gucken: Was kann in unserer säkularisierten Welt unser Auftrag sein als Kirche? Da hast du auf der einen Seite natürlich deine Kirchen, deine Gottesdienste, das ist ganz wichtig. Aber das allein kann es nicht sein. Es ist wichtig, dass die Kirche immer dann noch eine große Rolle spielt, wenn in Menschenleben etwas Besonderes passiert, bei der Einschulung, bei der Hochzeit oder der Beerdigung. In vielen Regionen gibt es kein Schützenfest, das ohne Hochamt anfängt. Und wenn ich Pfarrer wäre, würde ich mich darüber freuen, dass das noch so ist.“
Wie sehen Sie denn die Situation der Kirche in Deutschland im Moment?
Karl-Josef Laumann: „Ich möchte da nichts schönreden: Aus meiner Sicht ist es schlimm … Aber ich glaube, dass auf unsere Kirche einer aufpasst. In der Vergangenheit hat es Hexenverbrennungen und Kreuzzüge gegeben. Und doch gibt es die Kirche immer noch. Auf uns muss also offenbar einer immer aufpassen. Ich habe eine große Bindung zur katholischen Kirche. Einige mögen das belächeln, aber: Ich glaube ganz fest an Gott, an Ostern und dass wir nach unserem Tod irgendwohin kommen, wo es schön ist. Aber ich weiß auch, dass in Rom der Papst natürlich schauen muss, wie er diese ganze Weltkirche, die auch sehr unterschiedlich ist, zusammenhält. Aber wir in Deutschland müssen schon sehr aufpassen, weil viele kirchliche Grundsätze überhaupt nicht mehr mit der Gesellschaft in Einklang zu bringen sind. Was da die richtige Antwort ist, weiß ich nicht. Ich beneide auch die Bischöfe nicht, da die passenden Antworten zu finden. Aber ich glaube schon, dass sich zum Beispiel einfach die Rolle der Frauen in der Kirche verändern muss. Vieles ist schon ein bisschen weit weg von der Lebensrealität der Leute.“
Haben die Kirchen überhaupt noch gesellschaftliche Relevanz?
Karl-Josef Laumann: „Momentan haben wir keine Durchschlagskraft mehr. Das ist ganz klar. Nehmen wir mal die Debatte, die aktuell im Bundestag läuft um den Paragrafen 218. Wir können ja fast gar nichts mehr sagen als Kirche, weil wir uns lahmgelegt haben mit der Debatte, die wir nun mal mit dem Missbrauch haben.“
Was müsste Ihrer Ansicht nach die Konsequenz daraus sein?
Karl-Josef Laumann: „Wir müssen in Deutschland einfach stärker daran arbeiten, dass wir mündige Christen sind. Wir müssen es schaffen, aus dieser priesterzentrierten Kirche rauszukommen. In meiner Generation hat der Priester traditionell alles gemacht. Wenn man in die Kirchen Lateinamerikas schaut, da kommt der Priester oft nur alle paar Wochen in eine Gemeinde, und ansonsten macht die Gemeinde alles allein und hat trotzdem volle Häuser. Wir müssen es selbst in die Hand nehmen – mit den Priestern zusammen, aber eben selbst. Es muss uns einfach selbst wichtig sein, dass rund um den Kirchturm viel passiert.“
Kann Kirche glaubwürdiger werden, wenn man sich wieder mehr den armen und schwachen Menschen zuwendet?
Karl-Josef Laumann: „Ich glaube erst mal, dass Kirche für alle da sein muss. Aber Kirche muss natürlich ein besonderes Auge haben für Not. Das ganze Christentum kann man nur verstehen, wenn man sich um die Schwachen kümmert. Von unserer katholischen Soziallehre werden natürlich Eigenverantwortung und Solidarität auch zusammen gedacht. Aber wir müssen als Kirche dafür kämpfen, dass Kinder gleiche Chancen haben in der Gesellschaft. Wir Christen dürfen uns einfach nicht damit abfinden, dass Kinder aus bestimmten Strukturen es in der Schule einfach nicht schaffen. Wir müssen dafür sorgen, dass Leute ihre Talente entwickeln können, unabhängig von den Elternhäusern. Da muss Kirche einen ganz großen Schwerpunkt setzen.“
Eine letzte Frage: Was schätzen Sie denn an Ihrem Kollegen Karl Lauterbach?
Karl-Josef Laumann: „Ich kenne ihn sehr lange, auch als Kollegen im Bundestag. Ich halte ihn persönlich für eine ehrliche Haut. Aber er ist auch ein „Überzeugungstäter“ und mit allen Wassern gewaschen.“
Sie etwa nicht?
(lachend): Ich auch. Aber er ist sehr rheinisch und ich sehr westfälisch. Das harmoniert bisher ganz gut. Letztlich müssen wir bei allem zusammen sehen, dass wir die Dinge gut hinkriegen.
Mit Karl-Josef Laumann sprachen die Kolleginnen und Kollegen der Kölner Kirchenzeitung

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