Zum Pfingstfest – „Und jede Sprache klang wie Musik“

Friedenstaube, Darstellung des Heiligen Geistes, in der Herz-Jesu-Kathedrale in Skopje am 27. März 2019.

„Teekesselchen“ heißt das Spiel, bei dem man schon als Kind lernt: Dasselbe Wort meint nicht unbedingt dasselbe. Echte Verständigung braucht daher mehr als dieselbe ­Sprache. Gedanken von Nadine Mersch, Vorsitzende des Diözesankomitees, zum Pfingstfest.

Wenn ich alle Sprachen dieser Welt sprechen könnte, dann müsste ich doch alle Menschen verstehen können, oder? So habe ich es als Kind oft gedacht, wenn ich die Pfingstlesung hörte. Heute bin ich etwas unsicher. Alle Sprachen zu sprechen ist offenbar nicht dasselbe wie alle Menschen zu verstehen.

Es ist eine Gnade und ein Geschenk, so zu sprechen, dass mich viele verschiedene Menschen verstehen können: Menschen unterschiedlicher Sprache, Herkunft, alte und junge, männliche und weibliche; die, die meine Weltsicht teilen, und die anderen. Von so vielen verstanden zu werden, macht einiges leichter im Leben. 

Wenn man in Ländern unterwegs ist, deren Sprache man nicht oder nur wenig spricht, spürt man sehr deutlich: „In allen Sprachen sprechen“ bedeutet mehr als einen ausreichenden Wortschatz und die Grammatik passabel zu beherrschen. Mindestens ebenso hilfreich sind ein offener Blick, ein Lächeln, eine zugewandte Haltung. Wenn wir schroff oder gar arrogant auf jemanden zugehen und ­radebrechend nach dem Weg fragen, werden wir eventuell nicht am gewünschten Ziel ankommen.

Verschiedene Farben der einen Sprache

So zu sprechen, dass viele andere mich verstehen können, erleichtert auch daheim, die eigenen Ziele zu erreichen, für die eigene Sache zu überzeugen. In der Politik, in kirchlichen Gremien, in Familie, selbst bei banalen Fragen wie: „Was gibt es denn zu essen?“, wissen wir, dass der Ton die Musik macht, dass das sachliche Argument durch sprachliche Finessen ebenso gewinnt wie durch mal freundliches, mal bestimmtes, eloquentes Sprechen – verschiedene Farben der einen Sprache sozusagen.

In der neuen „Alle Kinder Bibel“ heißt es über die Feuerzungen: „Da regnete es. Doch die Tropfen waren nicht nass. Sie waren orange. Und rot und gelb. Und sie sahen aus wie winzige Zungen von Feuer.“

Somit ist auch klar: Alle Sprachen zu sprechen bedeutet nicht, alle Menschen zu verstehen. Sprechen ist etwas anderes als verstehen. Beim Verstehen geht es darum, dass ich auf die Sprache, die Farben, die Meinungen und Anliegen der anderen höre. Ich versuche zu verstehen, was sie bewegt. Es geht da­rum herauszuhören, welchen Weg mein Gegenüber sucht, was er oder sie sich wünscht. Vielleicht kann ich mich von ihrem Reden anstecken oder sogar überzeugen lassen. „Und alle Menschen standen in diesem geheimnisvollen Feuerwerk. Und sie glitzerten wie Wunderkerzen. Innen und außen. Die kleinen Feuerzungen verbrannten niemanden. Sie streichelten nur.“

Grundlage unserer Gespräche

Gestreichelt werden von der Kommunikation mit anderen. So kann es einem gehen, wenn man sich einlässt auf eine andere Sprache, einen anderen Kontext, eine andere Wirklichkeit. Wie sehr genießen wir es, in jeder katholischen Kirche auf der Welt die Messe mitfeiern und verstehen zu können. Und wie sehr genießen wir gleichzeitig, andere Melodien, andere Gebetsformen, andere Farben der Liturgie unterschiedlicher Kulturen zu erleben. In unserer welt­umspannenden Kirche mit den glitzernden Traditionen und den streichelnden Sakramenten und Riten haben wir genau diese Gelegenheit. Wir können uns mitteilen in Worten, in Haltungen in liturgischen Formen, im Gebet. Und wir können empfangen, was das Gegenüber, die Gemeinschaft der Gläubigen aus ihrem Glaubenssinn heraus in unsere Kirche einbringt. 

Zu dieser Art des Sprechens und des Verstehens gehört allerdings das Wollen. Sich verständlich machen wollen und das verstehen wollen ist so entscheidend für eine wertschätzende und gelingende Kommunikation. Ein neueres Beispiel für mich ist die Erfahrung aus der Gruppe von Laien und Domkapitularen, in der wir über die Frage gesprochen haben, wie unser neuer Erzbischof sein sollte und wer dies sein könnte.

Die Grundlage unserer Gespräche war, dass wir gemeinsam beraten wollten. Und so eröffneten sich unterschiedliche Farben; wir suchten und fanden die Meinung und Sichtweisen der anderen. Neugierig hörten wir auf die Wünsche an einen neuen Erzbischof und die Anliegen, die damit verbunden waren. Neugierig waren wir auf die Namen, die vorgeschlagen wurden, und auf die Argumente, die für mögliche Kandidaten für das Bischofsamt gegeben wurden. Und so entstand ein glitzerndes Prisma von Sichtweisen, Erfahrungen, Anliegen. Niemand wurde verletzt oder verbrannt, wie es in der „Alle Kinder Bibel“ heißt. Im Gegenteil, es war eine segensreiche und stärkende Erfahrung.

Die Anliegen anderer verstehen

Und mit dieser guten Erfahrung soll nun, so sagt der Vatikan, Schluss sein. Wa­rum können wir diese Dimension unseres Anliegens, gemeinsam eine wichtige Frage unseres Erzbistums zu beraten, in den vatikanischen Gremien nicht verständlich machen? Es gibt Stimmen, die sagen, die Deutschen kämen mit ihren Papieren und Strukturänderungen und Forderungen immer so besserwisserisch und arrogant daher. Sprechen und Verstanden werden ist eben mehr, habe ich weiter vorne schon einmal geschrieben. Wie kann sich aber eine Kirche, deren Gründungsgeschichte von so viel Vielfalt geprägt ist, so schwertun damit, sich verständlich zu machen und die Anliegen anderer zu verstehen? Unsere Kirche ist stark sowohl durch die weltumspannende Einheit wie durch die Verankerung in ganz unterschiedlichen Kulturen.

Bei der Bischofswahl geht es lediglich darum, die Beratungen rund um das Wahlverfahren des Domkapitels zu erweitern um die Farben und Sprachen weniger weiterer Personen aus dem Gottesvolk. Ich verstehe, dass wir mittendrin sind in Prozessen, die unsere Kirche in eine gute Zukunft führen wollen. Aber die Möglichkeit, in Paderborn gemeinsam einen neuen Weg zu versuchen, weil unterschiedliche Glieder des Gottesvolkes die Wahl des Erzbischofs mitbegleiten, haben wir jetzt aktuell.

Die Apos­tel haben sich auch mit strukturellen Fragen, mit Geboten und Verboten beschäftigt. Sie haben gerungen, wie die Gemeinschaft der Jesusnachfolgenden sich in der jüdischen und in der römischen Kultur bewegen soll. Welche Rechts- und Kulturgüter sollen übernommen, welche abgelehnt werden? So geht es ­Christ­_­innen in jeder Zeit und jeder Situation. Daher bleibe ich nicht bei der Begrenzung unserer syno­dalen Anliegen durch den Vatikan stehen. Ich freue mich beispielsweise, mit den Gläubigen im Bistum Osnabrück verbunden zu sein und die ­Erfahrungen, die wir in Paderborn bei der Beteiligung der Laien gemacht haben, in ihre Überlegungen einfließen zu lassen.

Wir sollen alle Sprachen nutzen!

Darüber hinaus hoffe ich, dass es uns in Paderborn gelingen wird, eine Idee zu entwickeln, mit der wir an die segensreichen Begegnungen von Laien und Domkapitularen anknüpfen können, auf dem weiteren Weg bis zur Wahl eines neuen Erzbischofs. Wir sollten mit diesen Erfahrungen mutig bleiben, innerhalb eines bestehenden strukturellen Rahmens unseren Anliegen näher zu kommen. Das gilt für die Bischofswahl wie für andere Themen, die wir im Syno­dalen Weg beschlossen haben. Die „Alle Kinder Bibel“ ermutigt: „Da sagte Petrus: Ich weiß, was das bedeutet! Wir sollen der Welt von Gott erzählen. Und von Jesus. Und von der heiligen Geistkraft. Und wir sollen alle Sprachen nutzen!“

Lasst uns alle Sprachen nutzen, um unsere Anliegen verständlich zu machen! Die Sprachen aller Geschlechter, die Sprachen von Menschen in ganz unterschiedlichen Lebenssituationen, geschlechtlichen Identitäten und sexuellen Orientierungen, verschiedener Berufungen und Weltsichten. In diesem Sinne hoffe ich auf die schöne Übersetzung in der „Alle Kinder Bibel“: „‚Das ist die heilige Geistkraft‘, sagte Petrus. ‚Ja, die Geistkraft ist in uns!‘, riefen alle durcheinander. Da merkten sie auf einmal, dass sie alle miteinander sprechen konnten. Sie verstanden alle Sprachen. Alle Sprachen der Welt und jede Sprache klang wie Musik.“

Nadine Mersch

Das Diözesankomitee ist die Vertretung der katholischen Laien aus den Pfarrgemeinderäten und Verbänden im Erzbistum Paderborn und damit der Paderborner Mosaikstein im Laienapostolat Deutschlands. Es versteht sich als Sprachrohr der gut 1,5 Millionen Frauen und Männer, Jüngeren und Älteren im Erzbistum Paderborn, die kirchenrechtlich nicht Priester und Ordensleute, also Laien, sind.

Nadine Mersch (Foto) und Jan Hilkenbach sind die beiden Vorsitzenden des Komitees, zum Vorstand gehören drei weitere Personen.

Schauen Sie doch mal in die aktuelle DOM-Ausgabe rein. Dort finden Sie eine Vielzahl an Berichten zur katholischen Kirche im Erzbistum Paderborn, deutschlandweit und auch weltweit. Es lohnt sich bestimmt.

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