Frauenkonferenz und das fehlende Geschlecht

Während der Konferenz wurde die „Werler Erklärung“ mit zwölf Forderungen für eine geschlechtergerechte Kirche an Diözesanadministrator Michael Bredeck und an alle anwesenden Frauen übergeben.(Fotos: Patrick Kleibold)

Geschlechtergerechtigkeit und der Synodale Weg der katholischen Kirche in Deutschland waren die großen Themen bei der 4. Frauenkonferenz im Erzbistum Paderborn. 170 Frauen ­fordern mit der „Werler Erklärung“ mehr Gleichberechtigung und Teilhabe an allen Ämtern.

Werl. Starke Frauen, die für ihren Glauben kämpfen und damit den Lauf der Geschichte verändern, gab es zu allen Zeiten. Eine von ihnen war die Mystikerin, Kirchenlehrerin und Pa­tronin Europas, die heilige Ka­tharina von Siena. An ihrem Gedenktag, dem 29. ­April, diskutierten 170 Frauen aus dem Erzbistum Paderborn über den Synodalen Weg und forderten mehr Geschlechtergerechtigkeit in der katholischen Kirche. Die 4. Frauenkonferenz in den Ursulinenschulen in Werl fand unter dem Leitwort „Von Mensch zu Mensch Kultur (ver-)wandeln“ statt.

„Jetzt ist die Stunde, um aufzustehen!“

„Jetzt ist die Stunde, um aufzustehen! Warte nicht! Warte nicht auf einen neuen Bischof oder auf eine spätere Gelegenheit, denn du bist nicht sicher, ob du sie haben wirst“: Mit diesen Worten rief Annette Jant­zen alle Frauen dazu auf, sich aktiv für die Anliegen einer syno­dalen Kirche einzusetzen. Sie selbst arbeitet in der Frauen­seelsorge im Bistum Aachen und war als Podiumsteilnehmerin zu den Themen „Frauen in Führung, geistlicher Leitung und Verkündung“ eingeladen. Ihr sei es ein wichtiges Anliegen, „Frauenstimmen hörbar zu machen, auch in der Liturgie“. Ihre Kritik an der von Männern geprägten Struktur der katholischen Kirche war dabei nicht zu überhören: Das eigentliche Problem sei nicht, dass Jesus ein Mann war. „Das Problem ist vielmehr, dass nicht mehr Männer wie Jesus sind“, sagte Jant­zen. Und sie fügte hinzu: „Die Männer, die Jesus berufen hat, sind nicht als Männer berufen worden. Sie sind nicht als Pa­triarchen berufen worden.“ Gott bringe Menschen nicht eine Hierarchie. Jeder Mensch gehöre zu diesem Jesus von ­Nazareth. „Und natürlich ist Gott übergeschlechtlich“, sagte sie.

Karin Koppe-Bäumer

Noch schärfer äußerte sich die evangelische Regionalpfarrerin für Soest-­Arnsberg, Karin Koppe-­Bäumer: „Frauen sind in der katholischen Kirche das fehlende Geschlecht.“ Dies müsse sich ändern, auch wenn dazu Strukturen unterwandert werden müssten. Ein Ziel müsse es sein, die bestehende Ordnung zu verändern. Mit Blick auf das Priesteramt sagte sie: „In der evangelischen Kirche haben wir 400 Jahre gebraucht. Bleiben Sie also dran. Es braucht unbedingt eine geteilte Leitung“, machte sie den katholischen Frauen Mut. Sie selbst habe das Glück gehabt, sich eine Pfarrstelle mit ihrem Mann teilen zu können. „Solche Rahmenbedingungen für eine gute Beziehungspflege“ wünsche sie sich auch für die katholische Kirche.

Wunsch nach Segensfeiern

Doch es blieb nicht nur beim mündlichen Aufruf zu mehr Gleichberechtigung in der katholischen Kirche. ­Nadine Mersch, Michaela Labudda, Finja Miriam Weber und Marie-­Simone Scholz, die Mitglieder in der Synodal­versammlung waren, stellten die von ihnen verfasste „Werler Erklärung“ mit zwölf Forderungen für mehr Gleichberechtigung in der Kirche vor. „Wir setzen uns kraftvoll für die konkrete Umsetzung der Beschlüsse des Syno­dalen Weges im Erzbistum Paderborn ein“, machen die Syno­dalinnen in der Erklärung deutlich und rufen „alle Verantwortlichen im Erzbistum Paderborn und alle Getauften“ dazu auf, „die Möglichkeiten, die das Kirchenrecht bereits jetzt bietet“, konsequent zu nutzen, und so die Beteiligung aller Gläubigen und aller Geschlechter zu stärken und auszuweiten.

In der „Werler Erklärung“ enthalten ist etwa der Wunsch nach offiziellen Segensfeiern für Paare, die sich lieben, sowie die Erwartung eines weltkirchlichen Einsatzes für die Öffnung der Weiheämter für alle Geschlechter. Laiinnen und Laien sollen auch in der Eucharistiefeier predigen und außerordentlich die Taufe spenden dürfen. Die Erklärung fordert Maßnahmen gegen geistlichen Missbrauch und sexualisierte Gewalt an Erwachsenen. Dazu gehören auch eine geschlechtergerechte kirchliche Sprache sowie eine stärkere Einbeziehung von Frauen in die Aus- und Fortbildung von Priestern. Nachdem ­Nadine Mersch, Michaela Labudda, ­Finja Miriam Weber und Marie-­Simone ­Scholz die Forderungen vorgetragen hatten, wurde die Erklärung – die auch von den anwesenden Frauen unterzeichnet wurde – an den ­Diözesan­administrator des ­Erzbistums Paderborn, Mon­signore Michael Bredeck, überreicht.

Helena Schmidt: „Wir Frauen sind in der Kirche genauso wichtig wie die Männer. Und: Wir haben alle Argumente auf dem Tisch. Wir verstehen uns demokratisch und fordern nun Leitung und Vielfalt in der katholischen Kirche ein. Ich wünsche mir heute, dass wir wahrgenommen werden, auch von den Männern, die nicht an dieser Konferenz teilgenommen haben.“

Helena Schmidt

Frauen gestalten Kirche

Dieser betonte auf dem Podium die große Relevanz der 4. Frauenkonferenz. „Frauen gestalten unsere Kirche an sehr vielen Stellen. Ohne ihre Kompetenz und ihren Einsatz ginge es nicht. Es ist deshalb in meinen Augen mehr als wertvoll, dass die Frauenkonferenz ihren Haltungen und Anliegen in unserem Erzbistum eine Stimme gibt.“ Besonders in Erinnerung werde ihm das Zitat von Annette Jant­zen – „Das Problem ist vielmehr, dass nicht mehr Männer wie Jesus sind“ – bleiben. „Die Kleriker sind nicht alle per se schlimm, aber ja, es gibt schlimme Kleriker“, sagte Bredeck.

Er versicherte den Frauen, dass er sich weiterhin für die Umsetzung der Beschlüsse des Syno­dalen Weges einsetzen werde. „Jetzt gilt es für uns, wie wir diese Beschlüsse interpretieren und umsetzen können. Wenn mehr das Evangelium gelebt würde, dann wäre die Kirche ein Ort, an dem sich mehr Menschen als jetzt zugehörig fühlen würden“, sagte Bredeck. Jetzt müsse da­ran gearbeitet werden, Qualitäts­kriterien für Syno­dalität zu schaffen, damit Prozesse entstünden, auf die sich jede und jeder verlassen könne.

Nadine Mersch: „Es geht nicht nur darum zu fordern, denn die angesprochenen Probleme sind nicht nur Probleme der verfassten Kirche. Jeder Einzelne von uns muss sich und die eigenen Strukturen im jeweiligen Verband hinterfragen. In allen Organisationen gibt es viel Luft nach oben.“

Nadine Mersch

Frauenkonferenz ist ein wichtiger Schritt in ­Richtung Geschlechtergerechtigkeit

Als Bredeck nur umringt von Frauen auf der Bühne stand, wurde an diesem Tag während der Frauenkonferenz eines ­besonders augenscheinlich: ­Außer dem Diözesanadministrator war während der Konferenz keine weitere männliche ­Führungskraft aus dem Paderborner Generalvikariat anwesend. Thematisiert wurde dies zwar nicht im Plenum, aber in bilateralen Gesprächen während der Kaffeepause klang es doch an.

Ruth Klemme

Ruth Klemme, ­Pfarrsekretärin im Pastoralverbund Lippe-­Detmold und ­Vorstandsmitglied im ­Berufsverband der Pfarrsekretärinnen im Erzbistum ­Paderborn sieht darin jedoch keinen Anlass zur Kritik: „Die ersten beiden ­Frauenkonferenzen waren auf dem Podium stark von Männern geprägt. Das ist nun anders. Mon­signore ­Bredeck ist neben vielen Frauen nur ein Teilnehmer. Er kann sich ­einbringen, er gibt jedoch nicht die Diskussion vor. Für mich ist diese Frauenkonferenz ein weiterer wichtiger Schritt in ­Richtung Geschlechtergerechtigkeit in der ­katholischen Kirche“.

Patrick Kleibold und Helena Mälck

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