Bildhauerworkshop – Sägen, raspeln, feilen

Vorlagen und Werkzeug helfen bei der Verwirklichung der Idee. (Fotos: Patrick Kleibold)

Neun Blöcke Ytong und jede Menge Werkzeug – das Stadtmuseum Paderborn ­veranstaltet aus Anlass der Rikus-Ausstellung einen Bildhauerworkshop. Was auffällt: Nur Frauen sind zum Steinehauen gekommen. Doch wie fühlt es sich an, selber als Bildhauer tätig zu sein?

Paderborn. Noch ist es leer vor dem Eingang des Stadtmuseums am Franz-Stock-Platz in Paderborn. Am Himmel hängen dunkle Regenwolken, die Wetterapp zeigt sechs Grad an. Es ist Viertel vor zehn, ein Samstag. Auf der überdachten Fläche vor dem Gebäude stehen vier Tische. Jeweils zwei Steine aus Ytong befinden sich darauf. Daneben liegen Feile, Raspel, Säge und jede Menge Schnitzwerkzeug – vieles davon zusammengebastelt aus einfachen Rohren und Schrauben aus dem Baumarkt. In 15 Minuten soll hier ein Bildhauerei-Workshop stattfinden.

Ein Mann mittleren Alters kommt aus dem Museum. Dass es sich hierbei um den Bildhauer Michael Diwo handelt, der den Kurs leiten soll, ist unschwer zu erkennen. Diwo sieht aus wie der typische Künstler. Er ist gekleidet in lockerem Hemd und mit einer Mütze auf dem Kopf. Solche Kurse gibt der Steinbildhauermeister öfter. Die Leidenschaft zur Bildhauerei hat er von seinem Vater Hans Diwo, bei dem er auch lernte. Heute führt er den Familienbetrieb in zweiter Generation im Riemekeviertel und hat sich im Paderborner Raum einen Namen gemacht. Seine bekanntesten Werke: der Schützenbrunnen, die drei Apostelfiguren am Dom und die Figur des seliggesprochenen Franz Stock.

Langsam füllt sich der Platz vor dem Museum, die ersten Leute begeben sich in das Gebäude. Begonnen wird nämlich mit einer Führung zu dem Künstler, der den Anlass für den heutigen Workshop bietet: Josef Rikus. Durch die Ausstellung führt Carolin Ferres, Museumspädagogin des Stadtmuseums. Wer denn Werke von Rikus kenne, fragt sie in die Runde. Erst etwas zögerlich kommen dann doch einige Antworten: das Kreuz am Gierstor, das Ehrenmal am Busdorfwall, der Neptunbrunnen. Rikus’ Werke ziehen sich durch die Stadt, und sie alle zeichnet ein bestimmter Stil aus: klare Konturen und ein Spiel mit den Ebenen: „Oben – Mitte – Unten“. Das sollen die Teilnehmer heute selbst versuchen.

Formstabil

Nach der theoretischen Einführung geht es los. „Wir arbeiten heute mit Ytong“, erklärt Diwo vor der provisorisch aufgebauten Werkstatt auf der Fläche vor dem Museum. Ytong sei formstabil und leicht zu bearbeiten. Mit dem vorhandenen Werkzeug sollte das jeder können. Als Muster stehen drei Steine zur Verfügung: Ein großer Klotz und zwei Reliefs. Das Relief sei aber deutlich einfacher. Der Bildhauer zeigt auf eines der beiden flachen Werke, das ein Gesicht darstellt: „Sollte jemand dies schön finden, wäre das sehr intelligent“, versucht er die Teilnehmer zu beeinflussen. Alle lachen.

Begonnen wird mit dem Vorzeichnen. Wichtig hierbei sei, dass man sich nicht lange aufhalte: „Schön muss es nicht sein, anders wird es sowieso.“ Mit gezielten Strichen zeichnet der Steinbildhauermeister zur Demonstration innerhalb weniger Sekunden eine Skizze auf den Stein. Und danach: einfach anfangen. Ohne Zögern begeben sich die Kursteilnehmer auf ihre Position. Als hätten sie eine genaue Vorstellung von dem, was sie machen wollten, fangen sie an, Skizzen auf den Ytong zu malen. Die Motive variieren: Von Gesichtern über geometrische Formen bis zu komplett eigenen Ideen ist alles dabei. Und dann geht es schon ans Werken. Sägen ratschen durch den Stein, Raspeln tragen den Stein ab. In der Luft wirbelt der Steinstaub herum. Die Teilnehmer arbeiten konzentriert, gesprochen wird wenig.

Acht Plätze für den Kurs waren frei, neun sind gekommen. Was auffällt: Bei den Teilnehmern handelt es sich ausschließlich um Frauen. Das sei öfter so, berichtet Diwo aus Erfahrung, Frauen seien neugieriger und mutiger. Die Idee zu dem Bildhauerkurs ist im Rahmen der Ausstellung zum Künstler Josef Rikus entstanden. „Wir wollten den Leuten die Möglichkeit geben, selbst als Bildhauer tätig zu sein“, erzählt Carolin Ferres. Seit 2018 ist sie bereits im Haus und macht die Führungen sowie das Programm. Den Bildhauerkurs bieten sie heute zum ersten Mal an. Bildhauer Diwo hingegen veranstaltet öfter solche Projekte. „Meistens kommen zu den Kursen unbeleckte Laien“, erzählt der Bildhauermeister. Auch heute haben die wenigsten Erfahrung.

Insgesamt neun Frauen haben an dem Workshop von Michael Diwo teilgenommen: Monika, Martina, Andrea, Sabine, Michaela, Ellen, Ulrike, Gabi und Sabine. (Fotos: Patrick Kleibold)
Insgesamt neun Frauen haben an dem Workshop von Michael Diwo teilgenommen: Monika, Martina, Andrea, Sabine, Michaela, Ellen, Ulrike, Gabi und Sabine. (Fotos: Patrick Kleibold)

„Man arbeitet mit dem ganzen Körper“

„Es fühlt sich an wie hartes Brot“, findet Sabine, eine der Teilnehmerinnen. Ganz kalt und steif sei es. Die Kunsthistorikerin macht das heute zum ersten Mal. Besonders für die Hand, die den Stein hält, sei es anstrengend. In rhythmischen Bewegungen führt sie das Werkzeug, ein kleines Rohr aus dem Baumarkt, durch den Stein und bildet so eine Kontur. In verschiedenen Ebenen sind Wasser, ein Steg und Sandstrand zu erkennen. Ihr Motiv soll das Meer darstellen.

Neben Sabine arbeitet Michaela. Auch sie hat solch einen Kurs noch nie gemacht. „Man arbeitet mit dem ganzen Körper“, erzählt die Therapeutin. „Ich finde es erstaunlich, wie man durch die paar Striche so eine Wirkung und solch einen Raum erzielen kann.“ Aufhängen will sie ihr Werk, das ein Gesicht darstellt, in ihrer Wohnung.

Während die Teilnehmerinnen dem Stein eine Form geben, dreht Michael Diwo seine Runden und hilft, wo er kann. „Waren die Tische eigentlich teuer?“, fragt er, als er gerade für eine Teilnehmerin ein Stück aus dem Ytong sägt und dabei dem Holz des Tisches gefährlich nahekommt. Diwo ist humorvoll – und ehrlich.

Bildhauerworkshop mit Kindern und Erwachsenen

Mit Ehrlichkeit umgehen, das können Kinder besser, erzählt der Bildhauer: „Erwachsene sind manchmal etwas etepetete im Kopf, das sind Kinder gar nicht.“ Zudem seien sie „zugänglicher und unverstellter“. Erst am vorherigen Tag hat ein Kurs für Kinder stattgefunden. „Die Eltern sind dann immer erstaunt, was die Kinder zustande gebracht haben. Da sieht man, wie wenig sie ihnen manchmal zutrauen.“ Für die Bildhauerei brauche man nämlich weder großes Talent noch viel Kraft, erklärt Diwo. Was braucht man stattdessen? Geduld.

Vier Stunden lang geht der Kurs an diesem Samstag. Nach der Hälfte zeigen sich bereits eindeutige Formen. Doch dann unterbricht Diwo die Teilnehmer. Alle sollen nach vorne kommen. Er zeigt den Teilnehmern das Relief eines Engels, dann stellt er es auf den Tisch und lässt ihn von Weitem betrachten. Was auffällt? Die feinen Linien auf den Flügeln verlieren durch den Abstand an Wirkung, kommen nicht mehr rüber. „Man muss ab und zu Abstand von seinem Werk nehmen“, erklärt Diwo, „erst dann kann man erkennen, ob die Gesamtkomposition stimmt.“ 

Diwo selbst arbeitet zu über 90 Prozent in heimischem Sandstein. Von Hand gemacht wird in den Betrieben aber immer weniger. Stattdessen gewinnen CNC-Fräsen an Bedeutung. „Es gibt da draußen Betriebe, die würden eher einen Programmierer als einen Steinmetz einstellen“, erzählt Diwo. Eine Bedrohung für das Handwerk stelle die Entwicklung ins Digitale aber nicht dar. „Für mich ist das einfach nur ein Werkzeug“, sagt der Steinmetz.

Heute ohne Maschine, dafür mithilfe von einfachem Werkzeug entstehen zum Ende des Kurses die verschiedensten Werke. Manche der Kursteilnehmer haben aber noch nicht genug von dem Workshop und fangen gleich noch ein weiteres Werk an. Vorne an einem Tisch steht Sabine vor ihrem zweiten Stein. „Das macht richtig Bock“, sagt sie, während sie mit Hammer und Meißel den Stein weghaut und jede Menge Ytong vom Tisch rieselt. Beim zweiten Mal ist die anfängliche Zaghaftigkeit weg. Jetzt wird der Stein bereits viel mutiger weggeschlagen.

Text: Helena Mälck / Fotos: Patrick Kleibold

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