Kloster Maria Himmelfahrt – Ein anderer Weg zu einer neuen Kirche

Gute Nachbarschaft: die Gruppe, die sich am Dienstagabend im Kloster St. Maria Himmelfahrt trifft. (Fotos: Karl-Martin Flüter)

Im Kloster Maria Himmelfahrt, dem früheren Klarissenkloster im Paderborner ­Riemekeviertel, ist ein neuer spiritueller Ort in Paderborn entstanden. Seit 2021 leben, ­arbeiten und beten dort Schwestern und Brüder der Gemeinschaft des christlichen Lebens.

Paderborn. Der Begegnungstreff gleich neben der Eingangstür zum Kloster Maria Himmelfahrt ist voll. Vorne sitzen die Nachbarn des Klosters, die schon seit vielen Jahren zur Messe kommen und danach ein wenig zusammenbleiben. Weiter hinten in der Sitzecke reden die mitei­nander, die teilweise weit entfernt wohnen, aber auch lange Anfahrtsstrecken auf sich genommen haben, weil sie die Messfeier und das Miteinander in der „Gemeinschaft der Seligpreisungen“ schätzen.

Kloster Maria Himmelfahrt – Ein neuer spiritueller Ort

Jeden Dienstag wiederholt sich dieses Treffen nach der heiligen Messe in der Klosterkirche. 2021 ist die „Gemeinschaft der Seligpreisungen“ in das Kloster im Paderborner Riemekeviertel eingezogen, aber den elf Brüdern und Schwestern ist es schon gelungen, zahlreiche Kontakte in dem Stadtteil zu knüpfen und Menschen in das Kloster an der Theodor-Heuss-­Straße zu holen.

Man wolle ein spiritueller Schwerpunkt in der Stadt sein, sagt Pater Franz, der Leiter der Paderborner „Gemeinschaft der Seligpreisungen“. Man sei offen für Besucher, vor allem für junge Menschen, auch die, die „wieder andocken wollen an den Glauben“. Man wolle einen Ort ­anbieten, der die „Begegnung mit Jesus Christus“ möglich mache.

Spiritualität setzt auf inneres Gebet und Kontemplation

Die „Gemeinschaft der Seligpreisungen“ ist eine der neuen „charismatischen Gemeinschaften“ der katholischen Kirche – eine Bewegung, die die Bedeutung der Charismen betont, also von Begabungen, die der Heilige Geist schenkt. Die Spiritualität der Gemeinschaft setzt auf inneres Gebet und Kontemplation. Sie bindet in die Liturgie Teile der orthodoxen Ostkirche ein. Lobpreis und Anbetung sind bestimmende Elemente der Glaubenspraxis: Stundengebet, Eucharistie und eucharistische Anbetung prägen das Glaubensleben.

Ein durchaus konservatives Verständnis des Glaubens prägt die charismatischen Gemeinschaften. Den Syno­dalen Weg kritisiert Pater Franz vorsichtig, aber in der Sache unmissverständlich. Gleichzeitig sind die Gemeinschaften näher am Mainstream der Gesellschaft als die Kirche sonst, wenn es um Verkündigung geht. Inhaltliche Rückwendung und formale Nutzung der modernen Technologien gehen hier problemlos zusammen. Die Schwestern und Brüder in Paderborn treten locker auf und wissen, wie ­Public ­Relations geht. Vieles ist auf Jugendliche ausgerichtet. Die Home­page der Paderborner Gemeinschaft ist professionell gestaltet und stets aktuell. Diese Vertrautheit mit den Kommunikationsregeln der Gegenwart ist etwas, das die Kirchengemeinden und Bistümer erst nach und nach aufarbeiten.

Langjährige Kontakte

Die Rückbesinnung auf die Tradition, bei gleichzeitiger Berücksichtigung der modernen Individualität, ist ein anderer Weg, die Kirche zu erneuern. Unumstritten sind die charismatischen Gemeinschaften auch deshalb nicht. Die Amtskirche kann manchmal mit ihrer sehr individuellen Glaubenserfahrung wenig anfangen. Andere Kritiker werfen ihnen vor, einen Spaltpilz in der katholischen Kirche zu züchten.

Im Begegnungscafé im Kloster St. Maria Himmelfahrt ist von Differenzen wenig zu spüren. Das Verhältnis vor allem zu den Nachbarn aus dem Riemekeviertel ist gut, man kennt sich schon länger.

2014 verließen die Klarissen nach fast 90 Jahren das Kloster. Noch immer ist das Gebäude mit der hohen Außenmauer in Paderborn unter dem Namen Klarissenkloster bekannt. 2015 und 2016 zogen Flüchtlinge in einen Trakt des leer stehenden Gebäudes ein. Die Klosterkirche aber wurde weitergenutzt, vor allem, weil sich Nachbarn dafür einsetzten. Sie feierten wie in den Jahren hier Gottesdienst und setzten sich danach vor der Kirche – im Winter in einem Kellergewölbe – zusammen.

Von Grund auf saniert

Es waren auch die Nachbarn, die Kontakt zu der „Gemeinschaft der Seligpreisungen“ aufnahmen. Die Gemeinschaft lebte damals noch in Bad Driburg und sagte gerne zu, Geistliche für den wöchentlichen Gottesdienst ins Klarissenkloster zu stellen.

Das war der Beginn einer fruchtbaren Beziehung. Im Mai 2021 zog die „Gemeinschaft der Seligpreisungen“ nach einer Komplettsanierung in das Kloster ein. Seitdem leben elf Schwestern und Brüder hier. Natürlich finden die dienstäglichen Gottesdienste weiter statt, nur dass man sich nach der Messe nicht mehr vor der Kirche oder im Keller trifft, sondern in der neu eingerichteten und sehr schicken Begegnungsstätte.

Die Brüder und Schwestern wollten hier ursprünglich ein neues Café für den Stadtteil eröffnen. Heute dienen die professionell ausgestatteten Räume direkt neben der Pforte als Treffpunkt für Besucher der Messen, Gäste und Teilnehmer von Kursen und Exerzitien, die im Kloster Maria Himmelfahrt stattfinden.

Hell und freundlich: Pater Franz und Schwester Luzia im Speisesaal.

Alles ist neu, hell und freundlich

Das Kloster ist von Grund auf und für viel Geld vom Erzbistum saniert worden. Noch ist nicht alles fertig. In einem Gebäudeteil sollen Zimmer für Gäste entstehen. Der Garten muss in einigen Bereichen bepflanzt und angelegt werden. Doch zum größten Teil ist das Kloster Maria Himmelfahrt nicht mehr wiederzuerkennen. Alles ist neu, hell und freundlich: Küche, Refektorium – Speisesaal – und die Zimmer der Schwestern und Brüder sowie einige Gästezimmer. Beim Neubau wurde der Energiestandard den heutigen Anforderungen angepasst. Von kalten Zimmern oder Gängen kann nicht die Rede sein – ganz im Gegenteil.

Pater Franz ist Leiter der Paderborner Gemeinschaft. Bevor der geborene Sauerländer zurück ins Westfälische kam, lebte und arbeitete er viele Jahre in einer Niederlassung der Gemeinschaft in Israel – einem Schwerpunkt der international tätigen Gemeinschaft. Der Priester arbeitete dort als Reiseführer zu den heiligen Stätten – eine Aufgabe, die gut zu dem zuvorkommenden und freundlichen Mann passt. Pater Franz ist jemand, der gut zuhören kann und auf Gesprächspartner offen reagiert. Mit seiner lockeren Art steht er für die Paderborner Gemeinschaft, in der von Askese, Rückzug oder gar Distanzierung von der Welt im Umgang mit der Außenwelt wenig zu spüren ist – auch wenn die Kontemplation in der „Gemeinschaft der Seligpreisungen“ eine bedeutsame Rolle im Alltag einnimmt.

Der Skandal und die Folgen

Fast selbstverständlich spricht Pater Franz Hebräisch sowie Englisch und Französisch, das die international geltende Sprache der „Gemeinschaft der Seligpreisungen“ ist. Das liegt da­ran, dass die Gemeinschaft in Frankreich entstanden ist. Sie wurde 1973 von zwei Ehepaaren in Frankreich gegründet und reihte sich ein in die neuen geistlichen Gemeinschaften, die nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil entstanden. Das Zusammenleben im Gebet und in einer Gütergemeinschaft zog schnell Nachfolger an. Heute ist die „Gemeinschaft der Seligpreisungen“ in 27 Ländern aktiv.

2011 erschütterten mehrere Skandale die Gemeinschaft. Ausgerechnet einem der Gründer und einem weiteren Diakon wurden sexualisierte Gewalt gegenüber Schwestern der Gemeinschaft nachgewiesen. Ein weiterer Kleriker der Gemeinschaft wurde wegen sexueller Gewalt an 38 Personen zu fünf Jahren Haft verurteilt.

Zusammensein ähnelt einem Treff unter Nachbarn

Auf diese Krise, die das Potenzial gehabt hätte, ihre kurze Geschichte zu beenden, reagierte die „Gemeinschaft der ­Seligpreisungen“ mit einer harten Kurswende. Die Statuten wurden überarbeitet. Die Räume für Frauen und Männer liegen auch in Paderborn an unterschiedlichen Gängen und die Eingangstüren zu den Trakten sind abgeschlossen. Vielleicht zeigt Pater Franz nicht ohne Grund bei der Führung durchs Haus, dass sich die Tür zum Bereich der Frauen nur für die öffnen lässt, die im Besitz eines Sicherheitsschlüssels sind.

Auch wenn die Regeln schärfer geworden sind, in Paderborn sind die Schwestern und Brüder betont locker. Das Zusammensein mit den Menschen aus dem Riemekeviertel ähnelt eher einem Treff unter Nachbarn. Geschichten machen die Runde, auch eine Flasche mit ­Hochprozentigem steht auf dem Tisch.

Die Schwestern und Brüder der „Gemeinschaft der Selig­preisungen“ scheinen die Normalität zu genießen. Nach zwei Stunden schließt die Runde. Spätestens in einer Woche wird man sich wiedersehen, manche Gäste ­besuchen schon früher eine der Messen in der ­Klosterkirche. Die Mitglieder der ­Gemeinschaft räumen noch auf, nach und nach ziehen sie sich in ihre ­privaten Räume zurück. Die ­Gebete ­beginnen sehr früh am Tag. ­Pater Franz ist zufrieden. „Ja, so ist das“, sagt er, „wir sind hier ­Nachbar unter Nachbarn.“

Karl-Martin Flüter


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