Krieg in der Ukraine – „Echter Frieden braucht Gerechtigkeit“

Würdigten im Rahmen der Verabschiedung von Diözesan-­Caritas­direktor Josef Lüttig die jahrzehntelange Zusammenarbeit der ukrai­nischen Caritas-Spes und des Diözesan-Caritasverbandes Paderborn (v. l.): der neue Diözesan-Caritasdirektor Ralf Nolte, Olena Noha (Projektreferentin der Caritas-­Spes), Diözesan-­Caritasdirektor Josef Lüttig, Stanislaw Schyrokoradiuk (Bischof von Odessa-­Simferopol) und Diözesan-­Caritasdirektorin Esther van Bebber. (Foto: Markus Jonas)

Anlässlich seines Besuches zur Verabschiedung von Diözesan-­Caritasdirektor Josef Lüttig in ­Paderborn sprach der Bischof von Odessa-­Simferopol in der Ukraine, Stanislaw Schyrokoradiuk, in einem Interview über die Situation im Kriegsgebiet und die Solidarität der deutschen Katholiken.

Sehr geehrter Bischof Schyrokoradiuk, viele Menschen in Deutschland und vor allem hier im Erzbistum Paderborn sind mit ihren Gedanken, Gefühlen und ihrer Aufmerksamkeit bei den Menschen in der Ukrai­ne. Wie erleben Sie dort gerade die Situation?

Zuerst möchte ich mich für die große und brüderliche Solidarität bedanken, die für uns sehr wichtig ist, denn die Ukrai­ner verteidigen sich sehr gut. Bis heute denke ich, es ist ein Wunder, dass die Ukrai­ner durchhalten, deswegen danke ich für die Gebete, für die Solidarität. Natürlich ist die Situation schwierig. Auf der Krim leidet unsere Kirche unter Verfolgung. Im Donbass leiden die Menschen, die dort wohnen, unter den Bombardierungen. Täglich sterben Tausende. Ein Teil meiner ­Diözese Odessa-­Simferopol ist noch von Russland okkupiert, aber die Stadt ­Cherson mit über 300.000 Einwohnern ist befreit. Trotzdem wird auch sie täglich beschossen. Kurz vor Weihnachten waren viele Frauen mit Kindern in einer unserer Kirchen, bauten die Krippe auf und machten Vorbereitungen für Weihnachten. Da schlugen zwei Raketen direkt durch das Dach der Kirche, aber sie explodierten nicht. Es war ein Wunder! Unser Gebet wirkt. Zwei Priester verkünden das Wunder überall. Es gibt viele solcher ­Zeichen überall. Gott gibt für uns immer eine Hoffnung.

Sie berichten, dass Priester und Mitarbeitende der Kirche in Ihrem Bistum trotz des Krieges in der Ukraine auch unter der Okkupation an ihrem Platz geblieben sind, dass sie standhaft geblieben sind. Wie geht es den Priestern, den Mitarbeitenden?

Gott sei Dank sind bis heute alle Priester unverletzt. In ­Cherson lebten zwei Priester unter der Okkupation, im Umland, in ­Mykolajiw leben zwei weitere Priester. Auch heute noch leben zwei unserer Priester in okkupiertem Gebiet. Sie tun ihre Aufgabe, sie beten, feiern die heilige Messe mit den Gläubigen und verlieren kein Wort über Politik, sondern nur über Gott. Deshalb arbeiten sie weiter und leisten ihren Dienst ganz normal.

Wie geht es Ihnen ganz persönlich?

Ich bekomme sehr viel Unterstützung aus der ganzen Welt. Ich habe viele Bekannte und Freunde. Viele Flüchtlinge leben in Odessa, viele arme Menschen. Ich bin froh, dass niemand, der zu mir kommt, mit leeren Händen weggehen muss. Ich habe immer etwas zu geben – dank der Hilfe aus dem Westen. Das ist für mich eine große Freude. Der Krieg ist furchtbar und gefährlich, aber wir haben die Möglichkeit, vielen Menschen zu helfen.

Sie sind nach Paderborn gekommen, weil es eine große Verbundenheit gibt zwischen dem Erzbistum Paderborn und Ihnen und der Caritas in der Ukrai­ne. Die Solidarität der Caritas aus Deutschland mit der Caritas in der Ukrai­ne ist groß. Was können die deutschen Katholiken noch mehr tun und was kann die deutsche Caritas mehr tun?

Sie machen ja sehr viel! Der Deutsche Caritasverband, die katholische Kirche, sie leisten viel! Ich bin mit der Caritas schon über 28 Jahre eng verbunden. Als ich in Kiew war, konnten wir ein Priesterseminar bauen und viele Kirchen. Als ich Präsident der Caritas in der Ukrai­ne war, konnten wir viele Waisenhäuser und Altenheime unterstützen. Wir konnten viele, viele gute Werke tun mithilfe der deutschen Katholiken. An mir ist es zu danken! Wir bitten nicht, wir danken für das, was wir schon heute bekommen. Alle unsere Projekte gehen weiter und am wichtigsten wäre, dass die Unterstützung für diese Projekte auch weitergeht.

Der Bischof von Odessa, Stanislaw Schyrokoradiuk, war zu Gast in Paderborn. (Foto: Markus Lahrmann)
Der Bischof von Odessa in der Ukraine, Stanislaw Schyrokoradiuk, war zu Gast in Paderborn. (Foto: Markus Lahrmann)

Als Christen hoffen wir auf Frieden und setzen uns für Frieden ein. Aber ein Frieden ohne Gerechtigkeit, ein Frieden ohne Recht ist schwer denkbar. Wie empfinden das die Menschen in der Ukrai­ne?

Ebenso denken die Menschen in der Ukraine. Wir brauchen Frieden, aber zugleich Gerechtigkeit. Wir haben ja gesehen, was passiert ist. Zunächst dachten die Ukrai­ner, ja gut, zahlen wir einen Preis für den Frieden. Wir hatten die Krim verloren, hatten einen Teil des Donbass verloren, aber wir dachten, gut, das ist ein Preis für den Frieden. Das war falsch. Das war nicht der Preis, sondern nur der erste Schritt des Bösen. Dann kam dieser große, große Krieg. Heute sagen wir, dass wir den Frieden brauchen, aber mit einem Sieg des Guten über das Böse. Echter Frieden geht einher mit Gerechtigkeit.

Die römisch-­katholische Caritas-­Spes der Ukraine, mit der der Diözesan-­Caritasverband Paderborn eng zusammenarbeitet, trägt in ihrem Namen das lateinische Wort für Hoffnung. Was ist Ihre Hoffnung für 2023?

Hoffnung bedeutet: Der Glaube muss immer gewinnen. Meine Hoffnung ist, dass unser Glaube, unsere Solidarität, unser Zusammenwirken den echten Sieg, echte Freude und echten Frieden bringt. Ich möchte mich noch einmal bedanken für diese Solidarität, für die sehr große Hilfe von Deutschland und von Europa. Ganz besonders danke ich für das Gebet, das brauchen wir!

Mit Bischof Stanislaw Schyrokoradiuk sprach Markus Lahrmann

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