Kirchliches Arbeitsrecht – Es bleibt weiterhin kompliziert

Bischof Georg Bätzing (r.), Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz (DBK), nimmt einen Karton der Initiative #outinchurch entgegen mit einigen der über 110.000 Unterschriften.

Vor einem Jahr gingen queere Mitarbeitende der katholischen Kirche an die Öffentlichkeit und sprachen über Ängste und Diskriminierung. Doch was hat sich seitdem getan und ­welchen Blick hat der Mitbegründer der Initiative „­#­Out­In­Church“, Bernd Mönkebüscher, darauf?

Bonn/Paderborn (KLEI/KNA). Vor einem Jahr haben sich 125 haupt- und ehrenamtliche Mitarbeitende der katholischen Kirche geoutet und in aller Öffentlichkeit über ihre Sexualität und Geschlechtsidentität gesprochen. In der zum Start der Initiative „#­Out­In­Church“ veröffentlichten Filmproduktion „Wie Gott uns schuf“ berichteten sie ausführlich von Diskriminierung, Ängsten und einem Leben im Schatten.

Dass im 21. Jahrhundert in Deutschland Menschen aufgrund einer homosexuellen Beziehung ihren Job verlieren können, stieß bei großen Teilen der Öffentlichkeit auf Unverständnis und löste heftige Kritik aus. Kirchliche Verbände und Politiker sprachen sich für eine nötige Änderung des kirchlichen Arbeitsrechts aus. Der Druck auf die katholische Kirche wurde so groß, dass die deutschen Bistümer seit Beginn des Jahres 2023 nach und nach ein reformiertes Arbeitsrecht umsetzen. Einer der zentralen Punkte: Aus der Lebensführung ihrer Mitarbeitenden will sich die Kirche künftig raushalten.

Kritik an Widerspruch

Während der Tübinger Arbeitsrechtler Hermann Reichold in der neuen Grundordnung einen deutlichen Bruch mit der bisherigen Tradition sieht und die Formulierung als eine positiv formulierte Nichtdiskriminierungsklausel versteht, geht den Gründern der Initiative „­#­Out­In­Church“ die veränderte Grundordnung nicht weit genug. Sie kritisieren, den Widerspruch zwischen kirchlicher Morallehre und kirchlichem Arbeitsrecht. „Als Mitarbeiter der Kirche bin ich nun eine Bereicherung, als schwuler Katholik lebe ich weiterhin in Sünde“, schreibt der Mitbegründer der Initiative, Jens Ehebrecht-­Zumsande, auf seinem Facebook-­Kanal.

Ein Diskriminierungsverbot in der Grundordnung erkennt auch Bernd Mönkebüscher, Pfarrer in Hamm und ebenfalls Mitbegründer der „#OutInChurch“-­Initiative, nicht: „Das Ziel sollte sein, und das ist auch ein Ziel von ‚#­Out­In­Church‘, dass sich die kirchliche Lehre verändert. Da hat sich bisher noch nichts getan. Wir haben eine kuriose Situation: der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz sagt, dass die Vielfalt der Lebensformen eine Bereicherung darstelle – sprich das kirchliche Arbeitsrecht sieht die Vielfalt der Lebensformen als eine Bereicherung an – doch auf der anderen Seite sieht die kirchliche Morallehre sie als Abweichung vom christlichen Menschenbild an. Das ist ein Widerspruch hoch zehn.“

Erster Schritt in die richtige Richtung

Mönkebüscher kritisiert zudem, dass die geänderte Grundordnung die Priester nicht betrifft: „Für die Priester hat sich überhaupt nichts verändert. Es gilt nach wie vor, was Papst Benedikt im Jahr 2005 formuliert hat, nämlich dass Männer mit tiefsitzenden homosexuellen Tendenzen nicht zum Priester geweiht werden können. Die Bischöfe halten sich zwar nicht daran, aber es erfolgt kein Diskurs, kein Widerstand. Ich wüsste keinen Bischof, der in Rom sagen würde, das können wir heute so nicht mehr sagen, das diskriminiert und schließt Menschen aus.“ Trotz aller Kritik sieht Mönkebüscher im veränderten Arbeitsrecht einen ersten Schritt in die richtige Richtung.

Ob es letztlich der Initiative „#­Out­In­Church“ zuzuschreiben ist, dass die Reform noch 2022 abgeschlossen werden konnte, bleibt offen. Fest steht jedoch, dass der öffentliche Druck auch bei den Bistümern angekommen ist. So bezeichneten denn auch als eher konservativ geltende Bischöfe das neue Arbeitsrecht als alternativlos. Dabei sah es zwischenzeitlich anders aus. Nachdem die Bischöfe Anfang Januar auf „#­Out­In­Church“ noch mit Selbstkritik und Rufen nach Veränderungen reagiert und während ihrer Vollversammlung im Frühjahr eine Petition für die Anliegen der Initiative mit knapp 120 000 Unterschriften erhalten hatten, kam es im September in Frankfurt zu einem Eklat.

Ein „Schlag ins Gesicht“

Bei der Vollversammlung des Reformprozesses Syno­daler Weg scheiterte ein grundlegender Text zur kirchlichen Sexual­moral an der Sperrminorität der Bischöfe. Im Saal kam es zur spontanen Protestkundgebung, es folgte eine emotionale Aussprache. „­#­Out­In­Church“ zeigte sich ernüchtert. Das Aus für den Grundtext sei erneut ein „Schlag ins Gesicht“ gewesen. Der Schritt der Bischöfe, die Grundordnung doch noch anzupacken, habe ihn, so Mönkebüscher, jedoch nicht überrascht. Er ist davon überzeugt, dass die Kirche auf Dauer eh mit Klagen vor den Gerichten gescheitert wäre. Im Grunde hätten sich die Bischöfe damit selbst Ärger erspart.

„#­Out­In­Church“ kritisiert zudem, dass die Kirche bislang nur Hetero- und Homosexualität im Blick habe. Die „queere ­Community“ umfasst aber auch jene, die zum Beispiel trans, intergeschlechtlich und nicht-­binär sind, sich also nicht in den klassischen gesellschaftlichen Kategorien von Mann und Frau verordnen lassen. So fordert die Initiative unter anderem, „diffamierende und nicht zeitgemäße Aussagen der kirchlichen Lehre“ auf Grundlage humanwissenschaftlicher und theologischer Aussagen zu revidieren. Eine Forderung, die sie bis heute als nicht eingelöst betrachtet, ebenso wie die Frage nach der Aufarbeitung.

Vor einem Jahr gingen queere Mitarbeitende der katholischen Kirche an die Öffentlichkeit und sprachen über Ängste und Diskriminierung. Doch was hat sich seitdem getan und ­welchen Blick hat der Mitbegründer der Initiative "­#­Out­In­Church", Bernd Mönkebüscher, darauf?
Mitbegründer der Initiative „­#­Out­In­Church“, Bernd Mönkebüscher

Jetzt fällt es der Kirche auf die Füße

„Eine unserer wesentlichen Forderungen ist die nach der Aufarbeitung der Schuld­geschichte“, sagt Mönkebüscher. Das Stichwort sei zwar beim Syno­dalen Weg gefallen, aber mehr sei da noch nicht. Niemand von den Bischöfen oder den Generalvikaren hätte sich bei den Menschen – denen noch vor wenigen Jahren gekündigt worden sei oder die so lange bearbeitet worden seien, bis sie einen Auflösungsvertrag unterschrieben haben – gemeldet oder mal gefragt, wie es ihnen ginge.

Die Kirche sei jedoch nicht erst kürzlich wegen eben solcher Themen, sondern schon vor längerer Zeit ins Stolpern geraten. Bereits vor zehn bis zwanzig Jahren hätten die Medien darüber berichtet, wenn einer Leiterin einer Kita gekündigt wurde, weil sie in einer Scheidung lebte und sich neu verliebt hatte. „Doch jetzt fällt es der Kirche auf die Füße, da man parallel den Umgang mit Missbrauch und Vertuschung erfährt“, fügte Mönkebüscher hinzu.

Wie geht es weiter mit #­Out­In­Church?

Wie geht es jetzt aus Sicht der Initiative „#­Out­In­Church“ weiter? Mönkebüscher sagt, er freue sich bereits jetzt auf das nächste und erstmals in Präsenz stattfindende Treffen: „Ein Thema wird dann sein, wie gehen wir mit unseren Forderungen um, die bisher nicht erfüllt wurden? Man muss aber fairerweise sagen, dass ein Teil unserer Forderungen auch im Syno­dalen Weg diskutiert werden. Wir haben das Rad nicht neu erfunden, sondern mit der Aktion nur einen gewissen Fokus gelegt.“

Mittlerweile haben sich der Initiative 375 weitere Personen angeschlossen, „­#­Out­In­Church“ hat ein Buch herausgegeben und den Hamburger Pride Award erhalten. Im November erhielt die ARD-­Dokumentation „Wie Gott uns schuf“ den katholischen Medienpreis – und sorgte für hitzige Debatten über die kirchliche ­Sexualmoral während der Preisverleihung. Laudatorin Anne Will bezeichnete den Film als eine „kollektive Erleichterung“. Im Vorfeld der Preisvergabe hatte „­#­Out­In­Church“ immer wieder vor bloßen Lippen­bekenntnissen mancher Bischöfe gewarnt.

365 Tage später sind die Gespräche längst nicht vorbei. „­#­Out­In­Church ist im vergangenen Jahr vor allem eines gelungen: die Debatte über die Diskriminierung ­queerer Menschen in der katholischen Kirche in die Gesellschaft zu tragen“, sagte die Initiative der KNA. Ob die noch offenen Forderungen im kommenden Jahr auf mehr Gehör stoßen, bleibt abzuwarten.

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