Zu kalt zum Beten? – Heizen in der Kirche

Mit Handschuhen, Schal und Decke zum Gottesdienst: Wenn im Winter die Kirchen nicht oder nur spärlich geheizt werden, müssen sich die Gottesdienstbesucher warm anziehen. (Foto: privat)

Klimakrise, Ukraine-­Krieg, Gaslieferstopp: Die katholische Kirche hat auf die aktuellen Heraus­forderungen reagiert und Empfehlungen zum Heizen von Kirchen ausgesprochen. Die Umsetzung ist allerdings nicht so einfach. Probleme gibt es in technischer, aber auch in pastoraler Hinsicht.

Erzbistum (-haus). Jeder kennt Situationen, in denen man nicht alle Interessen berücksichtigen kann. Tut man das eine, muss man das andere lassen. Schlicht und einfach: Man kann es nicht allen recht machen. Das erleben gerade viele pastorale Räume und Gemeinden, wenn es da­rum geht, welche Temperaturen in diesem Winter in den Kirchen herrschen sollen.

Die Empfehlungen des Erzbistums Paderborn in diesem Zusammenhang sind eindeutig: „Verzichten Sie idealerweise vollständig auf eine Temperierung der Kirchenräume“, heißt es in einem Schreiben aus dem Erzbischöflichen Generalvikariat an die Kirchengemeinden zum Thema „Heizen von Kirchen im Winter 2022/23“. Dazu gibt es eine Reihe von Tipps und Hinweisen, um Gebäude, Kunstwerke und insbesondere Orgeln vor Schäden etwa durch Schimmelbefall zu schützen. Die technischen Zusammenhänge und mögliche Folgen für Gebäude und Ausstattung werden erläutert. Weniger berücksichtigt fühlen sich allerdings Kirchen- und Gottesdienstbesucher, die darüber klagen, dass es zum Beispiel im Paderborner Dom, der während dieses Winters überhaupt nicht geheizt wird, schlicht „zu kalt“ ist.

„Die Gläubigen haben es akzeptiert.“

Pfarrer Norbert Nacke, Leiter des Pastoralverbundes Bielefeld und Dechant des Dekanates Bielefeld-­Mitte, hat das ebenfalls erlebt, als vereinbart wurde, die Kirchen in Bielefeld im Winter nicht über 12 Grad zu heizen: „Die Gläubigen haben es akzeptiert, manche waren allerdings knurrig.“ Hier und da seien Äußerungen wie „Dann komme ich nicht mehr zum Gottesdienst“ zu hören gewesen.

An eine „schwierige Sitzung“ mit den Pfarrgemeinderäten und Kirchenvorständen zum Thema Kirchen-­Temperaturen erinnert sich auch Pfarrer Thomas Wulf, Leiter des Pastoralen Raumes Lippstadt und Dechant des Dekanates Lippstadt-­Rüthen: „Es war nicht einfach, auf einen Nenner zu kommen.“ Unterschiedliche Interessengruppen versuchten hier und da, Druck auszuüben. Hinzu komme, so Wulf, dass die Kirchenvorstände vor Ort autonom handelten. „Es geht also auch hier nur um ­Empfehlungen.“ Der Pfarrer verweist in diesem Zusammenhang auf allein 18 Kirchen und 3 Kapellen im Pastoralen Raum Lippstadt.

„Den Gasverbrauch zu senken, steht im Mittelpunkt.“

„Die Kirche hat doch genug Geld, da fallen die steigenden Heizkosten doch kaum ins Gewicht!“ Ein Satz, den sowohl Nacke als auch Wulf in den vergangenen Monaten immer mal wieder gehört haben. Doch in diesem Zusammenhang geht es weniger um die Finanzen als vielmehr um Solidarität mit der Ukraine, wie Thomas Klöter, kommissarischer Leiter des Bereichs Pastorale Dienste im Erzbischöflichen Generalvikariat, betont: „Den Gasverbrauch zu senken, steht im Mittelpunkt dieser bundesweiten Initiative der deutschen Bistümer, es geht nicht in erster Linie darum, Geld zu sparen.“

Unabhängig davon: Die Sorge, durch kalte Kirchen auch noch die „letzten Gottesdienstbesucher herauszutreiben“, beschäftigte beide Seelsorger. „Schließlich hat die Corona-­Krise in dieser Hinsicht schon genug Schaden angerichtet“, sind sie sich einig. Dass es nicht so schlimm gekommen ist, führen Nacke und Wulf auf die aktuell relativ milden Temperaturen zurück. Rund um Weihnachten war es recht warm und die Kirchen an den Festtagen gut besucht, wie sich Dechant Nacke erinnert. „Und logischerweise ist es in einer vollen Kirche auch wärmer.“

Fingerfertigkeit nimmt mit sinkenden Temperaturen ab

Für Diskussionen haben in einigen Gemeinden aber auch die Konzerte gesorgt, die gerade um Weihnachten in vielen Gotteshäusern stattfinden. Dechant Wulf: „Zum Beispiel bei Bläser­konzerten ist die Grundtemperatur in einer Kirche grenzwertig, weniger für das Publikum als vielmehr für die Ausführenden.“ Wenn man dann mehr heize, fühlten sich wiederum die Gottesdienstbesucher unter Umständen benachteiligt. Auch viele Organisten hätten ihre Probleme mit der Kälte, weil die Fingerfertigkeit mit sinkenden Temperaturen abnimmt. „Da schafft dann aber ein Heizlüfter am Spieltisch Abhilfe.“

Ist trotz dieser schwierigen Interessenlage eine Entscheidung über die Temperierung gefallen, steht als nächste Hürde die technische Umsetzung an. Und die ist gar nicht so einfach, wie beide Pfarrer bestätigen. Fußbodenheizungen, die während der Pandemie wegen geringer Luftverwirbelung Vorteile hatten, haben jetzt den Nachteil, dass lange „Reaktionszeiten“ hohe Kosten verursachen. Bei den weit verbreiteten Warmluftheizungen darf man die Temperaturen nur um ein Grad in der Stunde steigern, weil sonst die Ausstattung leidet. Hinzu kommt die Tatsache, dass viele computergesteuerte Anlagen umprogrammiert werden müssen. Dechant Wulf: „Das war vor dem Winter rein zeitlich gar nicht umsetzbar, weil die entsprechenden Firmen keine Kapazitäten frei hatten.“

Auch die Architektur der Kirche spielt eine wichtige Rolle: Während eine 500 Jahre alte Kirche wie St. Jodokus in Bielefeld unproblematisch ist, bereiten die „Beton“-­Kirchen aus der Nachkriegszeit den Verantwortlichen mehr Sorgen. Denn sie sind gerade in Sachen Luftfeuchtigkeit problematisch. Ab einer relativen Luftfeuchtigkeit von 70 Prozent muss „gegengeheizt“ werden, um Schimmelbildung zu vermeiden. Die beginnt häufig in der Orgel.

Der Erfolg hängt von der Akzeptanz ab

Letztlich muss also für jedes Gotteshaus ein Konzept gefunden werden. Das betont auch Thomas Klöter, wenn er davon spricht, dass es bei den Vorgaben aus Paderborn in Absprache mit der Bischofskonferenz nur um Empfehlungen geht: „Wir setzen auf die Kreativität in den Gemeinden und hoffen auf intelligente Lösungen vor Ort.“

Wie so etwas aussehen kann, zeigt das Beispiel einer Lippstädter Kirche, in der eine elektrisch betriebene Bankheizung eingebaut wurde. Dechant Wulf: „Das funktioniert natürlich am besten, wenn sich die Gottesdienstbesucher auf einige Reihen vorn konzentrieren.“ Letztlich, so der Geistliche, hänge der Erfolg immer von der Akzeptanz ab. „Wir haben zum Beispiel die Kirche in unserem Pastoralverbund, die mit Öl beheizt wird, als Wärmekirche mit höheren Temperaturen deklariert.“ Wer es warm haben möchte, muss also einen gewissen Weg auf sich nehmen. „Das geschieht allerdings nur minimal“, zieht Wulf eine wenig positive Bilanz. „Das führt uns das Grund­problem vor Augen, dass Gläubige eher wegbleiben, als dass sie eine andere als die gewohnte Kirche besuchen.“

In Bielefeld, erzählt Dechant Nacke, gibt es eine Kirche, die mit Fernwärme aus Biogas beheizt wird. „Die Kooperation mit der Universität macht das möglich.“ Trotzdem sei auch die Temperatur in dieser Kirche – Heilig Geist in Uni-­Nähe – abgesenkt worden. „Diese Ausnahme hätte man nicht erklären können!“ Der Bielefelder Pfarrer setzt auf „intelligente Technik“. „Doch die fehlt leider zum Beispiel beim Stromnetz noch.“ Das müsse man zum Beispiel beim Einsatz einer Bankheizung wie in Lippstadt bedenken.

„Man kann auch in einer kalten Kirche beten“

Eine weitere Sorge treibt Gemeindemitglieder um: Wenn in einigen Kirchen derzeit gar keine Gottesdienste stattfinden und sie nicht genutzt werden, gibt es Befürchtungen, dass man sich auf diese Weise dauerhaft von überzähligen Kirchengebäuden verabschieden könnte. Thomas Klöter will derartige Überlegungen hier und da nicht ausschließen: „Das kann passieren, aber daraus lässt sich vor Ort kein Konzept entwickeln.“ Ein solches Handeln lasse sich mit den Grundsätzen der Immobilienstrategie des Erzbistums kaum in Einklang bringen.

Für den Mitarbeiter im Generalvikariat steht unabhängig vom aktuell knappen und teuren Gas fest, dass die Kirche angesichts der Verantwortung für die Schöpfung über ihren Energieverbrauch nachdenken muss, auch wenn sein Hinweis „man kann auch in einer kalten Kirche beten“ wie gesehen für Widerspruch sorgt. Thomas Klöter: „Wir kommen von einem Niveau in Sachen Energieverbrauch, das wir auf Dauer mit Blick auf das Klima nicht halten können.“

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