Wozu sind Sie da, Jörg Lange?

In der Schule stelle ich immer wieder fest, dass das Reden „über Gott und die Welt“ ungebrochen aktuell ist, wenn wir uns diesem in Form von Fragen nähern. Diese Neugierde ist grundsätzlich unabhängig davon, welcher Konfession bzw. Religion Schülerinnen und Schüler angehören. Sie alle stellen oft ähnliche Fragen, etwa: Existiert Gott? Oder: Wenn es Gott gibt, warum lässt er Leid und Tod zu? Die Antworten darauf können unterschiedlich sein, wichtiger ist jedoch: Allein das Fragen nach der Existenz Gottes öffnet den Blick auf Grundfragen wie die nach unserer eigenen Existenz oder dem Sinn des Menschen in der Welt.

Mein Anliegen ist es, den Schülern einen Zugang zu solchen und anderen Themen aus möglichst verschiedenen Perspektiven zu ermöglichen. So merken die Schüler im Deutsch­unterricht wohl ziemlich oft, dass ich ebenso Geschichtslehrer bin – entdecken darüber hi­naus aber hoffentlich auch, dass weitere, beispielsweise politische, mathematische oder religiöse Sichtweisen wichtig sind. Lesen, Schreiben und Rechnen bleiben notwendiges Handwerkszeug, jedoch geht es in der Schule gerade auch darum, aus einer Vielzahl von Blickwinkeln die eigene Persönlichkeit zu entwickeln als Grundlage je eigener sozialer Verantwortung.

Jörg Lange: „Der offene Austausch macht oft erst bewusst, was mir selber wichtig ist.“

Die Schule selbst ist ja schon ein gesellschaftlicher Mikrokosmos, in dem sich mit all den verschiedenen Menschen auch verschiedene Weltsichten treffen, zwischen denen immer wieder Verständigung wichtig ist. Das beginnt bereits damit, dass wir als christlich-­katholisches Gymnasium institutionell eine bestimmte Perspektive einnehmen. Zugleich haben wir an unserer Schule eine Schülerschaft mit verschiedenen religiösen Hintergründen, die sich allesamt willkommen und ernst genommen fühlen sollen. Hinsichtlich meines Unterrichts bedeutet das, nicht nur die religiösen Selbstverständlichkeiten der Schüler zu thematisieren, sondern auch meine eigenen. Gerade der offene Austausch macht oft erst bewusst, was mir selber wichtig ist, warum ich bestimmte Dinge tue und andere lasse. Das beginnt etwa schon beim Morgengebet, wenn ich darüber nachdenke, wie ich mich respektvoll beteiligen kann und möchte, ohne mich zu einer bestimmten Form oder Aussage gezwungen zu sehen.

Wichtig erscheint mir diesbezüglich, als Lehrer nicht unnötig normierend aufzutreten, sondern eine möglichst offene, angstfreie Atmosphäre zu schaffen, in der verschiedene Positionen und Sichtweisen einen Platz haben. Das bedeutet allerdings umgekehrt nicht, dass ich mich als Lehrer per se neutral verhalte. So ergibt sich mein Bildungsauftrag zunächst schon aus der Landesverfassung und dem Grundgesetz, und in diesen finde ich klare Wertaussagen etwa zur Würde und Freiheit des Menschen. Begegnen mir in Politik, Gesellschaft oder eben Schule dazu unzweideutig konträre, beispielsweise rassistische Positionen, endet dort meine Neutralität. Dann bin ich gefordert, mich solch menschenfeindlichen, unchristlichen Positionen entgegenzustellen.

Jörg Lange (47) ist Lehrer am christlich-­katholischen Gymnasium St. Kaspar in Neuenheerse.

Zur Person

Jörg Lange (47) ist Lehrer am christlich-­katholischen Gymnasium St. Kaspar in Neuenheerse. Er unterrichtet die Fächer Deutsch, ­Geschichte und katholische Religion.

Aufgezeichnet und fotografiert von Patrick Kleibold

Unsere Reihe Menschen im Erzbistum

Wozu bist du da, Kirche von Paderborn? Diese Frage stellte der emeritierte Paderborner Erzbischof Hans-Josef Becker dem Zukunftsbild voran, auf dessen Basis das Erzbistum entwickelt wird. Wozu bist du da? Diese Frage kann sich auch jeder Einzelne stellen. Denn die Grundannahme des Zukunftsbildes ist eine biblische, dass nämlich jeder Mensch berufen ist, dass jede und jeder das eigene Leben als von Gott angenommen betrachten darf, dass es einen Sinn dieses Lebens gibt. Die Aufgabe des Menschen besteht darin, die Frage für sich zu beantworten.

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