Wozu sind Sie da, Jochen Weiser?

Jochen Weiser (63) ist verheiratet und lebt in Erkeln bei Brakel. 2021 beauftragte ihn der Erzbischof für den Begräbnisdienst der katholischen Kirche. (Foto: Karl-Martin Flüter)

Der Tod ist nicht kalkulierbar. Viele Menschen überrascht er mitten im Leben, auch die Angehörigen, die sich nach dem ersten Schock einer ganz neuen Situation gegenübersehen. Oft haben sie nach langer Zeit das erste Mal wieder Kontakt mit einer Religion. Manche sind deshalb befangen, wenn ich zum Kondolenzgespräch komme. Aber ich bin nicht dazu da, zu beurteilen, sondern zuzuhören.

Noch immer haben viele Menschen eine tiefe Sehnsucht nach einer kirchlichen Bestattung. Der Glaube bietet eine Perspektive über den Tod hinaus. Die kirchliche Liturgie ist für alle Menschen gleich, auch wenn wir uns sehr weit auf die individuellen Wünsche des Verstorbenen und seiner Angehörigen einlassen. Es gibt Menschen, die haben vor ihrem Tod alles festgelegt: den Platz auf dem Friedhof, den Sarg, die Musik, sogar die Trauerrede am Grab.

Die Trauer ist unterschiedlich. Es gibt die, die völlig am Boden zerstört sind, und die, die es gefasster hinnehmen. Jeder ist anders, jeder hat andere Bedürfnisse und ich muss mich darauf einlassen. Es gibt kein Schema für das Kondolenz­gespräch, das der Vorbereitung auf die Bestattung dient. Ich muss mich wirklich auf jeden Trauernden einlassen.

„Wenn ein Mensch gestorben ist, verändert sich der Umgang miteinander.“

Ich habe mich früher nie wirklich mit Sterben und Tod beschäftigt. Durch die Ausbildung und den Dienst hat sich das verändert. Ich habe gelernt, dass Trauer ein langer Prozess ist. Die würdevolle individuelle Bestattung ist wichtig für diesen Prozess. Sich gut verabschiedet zu haben, hilft bei der Trauer. Sonst kann es geschehen, dass der Verlust einfach weggedrückt wird. Das feste Gerüst der katholischen Liturgie während der Bestattung hilft dabei, daran kann man sich festhalten.

Wenn ein Mensch gestorben ist, verändert sich der Umgang miteinander. Die Leute werden offener. Ich habe es noch nie erlebt, dass jemand das Trauergespräch mit mir verweigert hätte. Die Menschen wollen reden. Es ist nicht nur, dass der geliebte Mensch verstorben ist. Oft stellen sich die Fragen, wie es für die Angehörigen weitergeht: Was kommt danach? Was wird aus mir? Das ist vor allem bei älteren Menschen so, die allein zurückbleiben.

Die Erinnerungskultur hat sich sehr verändert. Ich kann den Trend zum pflegeleichten Grab nicht immer nachvollziehen, aber auch hier steht es mir nicht zu, belehrend aufzutreten. Ich bin dazu da, Menschen auf ihrem letzten Weg und in der Trauer zu begleiten. Ich weiß, dass alles richtig war, wenn jemand nach der Beerdigung zu mir sagt: „Das hätte Mutter gefallen.“

Jochen Weiser

Zur Person Jochen Weiser

Jochen Weiser (63) ist verheiratet und lebt in Erkeln bei Brakel. 2021 beauftragte ihn der Erzbischof für den Begräbnisdienst der katholischen Kirche. Vorher hatte Jochen Weiser eine Ausbildung für Laien im sauerländischen Exerzitienhaus St. Bonifatius besucht. Der Gärtnermeister stammt aus Aachen und ist vor 35 Jahren des Berufs wegen nach Brakel gezogen.

Aufgezeichnet und Fotografiert von Karl-Martin Flüter

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Unsere Reihe Menschen im Erzbistum

Wozu bist du da, Kirche von Paderborn? Diese Frage stellte der Paderborner Erzbischof Hans-Josef Becker dem Zukunftsbild voran, auf dessen Basis das Erzbistum entwickelt wird. Wozu bist du da? Diese Frage kann sich auch jeder Einzelne stellen. Denn die Grundannahme des Zukunftsbildes ist eine biblische, dass nämlich jeder Mensch berufen ist, dass jede und jeder das eigene Leben als von Gott angenommen betrachten darf, dass es einen Sinn dieses Lebens gibt. Die Aufgabe des Menschen besteht darin, die Frage für sich zu beantworten.

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