Wozu sind Sie da, Stefan Westhoff?

Stefan Westhoff

Schon als Kind war ich bei den Pfadfindern. Deren Gründer, Robert Baden-­Powell, hat einmal gesagt: „Versucht, diese Welt ein wenig besser zu verlassen, als ihr sie vorgefunden habt.“ Das ist so etwas wie das Motto meines Lebens. Bei den Pfadfindern war ich irgendwann Gruppenleiter, dann Stammesleiter. Später habe ich viele Jahre bei den Katholikentagen mitgearbeitet. Und irgendwann wollte ich zur freiwilligen Feuerwehr. Ich war mir allerdings nicht sicher, ob das mit meinem Beruf als Lehrer kompatibel ist. Über einen Zeitungsartikel bin ich auf die Notfallseelsorge aufmerksam geworden. Seit 14 Jahren bin ich jetzt dabei.

Hier kann ich das Wort von Baden-­Powell sehr konkret umsetzen. Ich kann Menschen helfen, dass eine sehr schlimme Situation für sie ein bisschen weniger schlimm, ein bisschen erträglicher wird. Bei meinen Einsätzen bin ich für Menschen da, für die sonst niemand zuständig ist und die ohne uns Notfallseelsorger allein wären. Um die Verletzten bzw. um die Patienten kümmern sich der Rettungsdienst und die Notärzte und das natürlich hoch professionell. Das zu erleben ist für die Angehörigen manchmal nur schwer auszuhalten. Deswegen kümmern wir uns um sie, gehen mal mit ihnen in ein anderes Zimmer oder erklären, was gerade geschieht.

Stefan Westhoff: „Manche Einsätze gehen mir nach“

Bei Todesnachrichten haben wir mehr Zeit als die Polizei, die das eigentliche Überbringen übernimmt. Das ist deren hoheitliche Aufgabe. Aber wenn die erfüllt ist, gehen die Beamten in der Regel, wir bleiben. Denn die Menschen wissen oft nicht, was sie tun sollen. Sie sind ohnmächtig, vollkommen ratlos und können einfach nicht agieren. Wir versuchen, ein bisschen Ruhe reinzubringen, die nächsten Schritte zu organisieren und fragen, ob es jemanden gibt, den man jetzt anrufen könnte. Ich erlebe, dass die Menschen dafür oft sehr dankbar sind. Daher empfinde ich die Aufgabe als wirklich sinnvoll.

Man sollte natürlich ein empathischer Mensch sein, aber man muss auch eine gewisse Distanz wahren können. Es hilft niemandem, wenn ich mich weinend danebenlege. Dennoch: Manche Einsätze gehen mir nach. Und mein Bild von Paderborn hat sich verändert. Viele Kreuzungen oder Häuser verbinde ich mit Einsätzen. ­Natürlich treffe ich gelegentlich auch Menschen wieder, beim Einkaufen etwa, aber ich spreche von mir aus ­niemanden an, ich grüße auch nicht als Erster. 

Gläubig muss man übrigens nicht unbedingt sein, um Notfallseelsorge zu leisten. In unserem Team haben wir konfessionslose Kolleginnen und Kollegen. Für mich persönlich ist mein Glaube schon eine Motivation. In den Einsätzen spielt der allerdings kaum eine Rolle. Ich habe bislang nur einmal erlebt, dass mich eine Frau, deren Mann plötzlich gestorben war, gebeten hat, ein Gebet zu sprechen.

Also, wozu bin ich da? Um anderen Menschen zu helfen. Kann man das so einfach sagen? Ich denke schon.

Stefan Westhoff

Zur Person

Stefan Westhoff (41) ist Lehrer für Englisch und Geschichte an der Gesamtschule in Paderborn-­Elsen. Seit zwölf Jahren engagiert er sich in der Leitung der Notfallseelsorge der Stadt Paderborn. Getragen wird die Arbeit vom Dekanat Paderborn, dem Kirchenkreis Paderborn und der Stadt Paderborn. Unter den 35 Notfallseelsorgerinnen und ­-seelsorgern sind zwei kirchliche Mitarbeiter. Alle arbeiten ehrenamtlich.

Aufgezeichnet und fotografiert von Claudia Auffenberg

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