„Fußball ist immer politisch“ – Kritik an Fußball WM in Katar

So weit wird es nicht kommen: Leere Stadien zur Fußball WM in Katar wird es wohl nicht geben. Dennoch wollen die Organisatoren von „#­Boycott­Qatar­2022“ zum Nachdenken anregen. (Foto: Pixabay)

Kritische Töne bezüglich der Fußball WM in Katar schlug Dietrich Schulze-Marmeling in der BVB-­Gründungskirche an der Flurstraße an. „cominghome09“, das pastorale Fußballprojekt, hatte den Autoren eingeladen. Schnell wurde klar: Das eigentliche Problem ist der Weltfußballverband ­FIFA.

Dortmund. Diet­rich Schulze-­Marmeling gehört zu den Gründern von „­#­BoycottQatar2022“. Dahinter stehen derzeit über 100 Faninitiativen und Einzelpersonen, die „ein aktives Netzwerk des Protestes knüpfen“ wollen. „Die Boykott­aktionen zielen nicht auf Katar oder die Kataris. Sie sind zeitlich befristet und richten sich gegen die Entscheidung der ­FIFA, dort eine Fußball-­WM durchzuführen“, erklärte der Autor den lediglich 20 Zuhörerinnen und Zuhörern an diesem Abend. Dabei komme man allerdings an Kritik an dem Land nicht he­rum.

Natürlich könne eine Weltmeisterschaft „ein Fest des Friedens wie 2006 in Deutschland sein“, erinnerte Gemeindereferent Karsten Haug zu Beginn. Die Welt zu Gast bei Freunden – der Slogan steckt noch immer in den Köpfen.

Gute Freunde?

Doch leben in Katar wirklich Freunde? Wenn man Dietrich Schulze-­Marmeling zuhört, erfährt man schnell: Größen wie Lothar Matthäus oder ­David Beckham haben dort gute Freunde. „Sie sind Lobbyisten für Ka­tar“, so der Referent. Und gegen die wirtschaftlichen Verbindungen Bayern Münchens mit dem Emirat haben selbst Fans im Stadion schon protestiert.

Dass bisher rund 15 000 Arbeitsmigranten – die Zahl stammt von Amnesty International – auf Baustellen mit Bezug zur WM gestorben sind und Menschenrechte massiv beschränkt werden, erwähnte Dietrich Schulze-­Marmeling ebenfalls. Ein Familienclan beherrsche das Land mit harter Hand. 

Fußball WM in Katar
Der Autor Dietrich Schulze-­Marmeling (links) sprach auf Einladung von Karsten Haug in der Gründungskirche des BVB über die Fußball­WM in Katar. (Foto: Maas)

Doch auch die ­FIFA kritisierte der Autor. Sie treibe die Kommerzialisierung des Sportes – im eigenen Interesse – immer weiter. Es gäbe ohnehin nicht viele Länder, die die Vorgaben des Weltfußballverbandes erfüllen können. „Dort hat man ein Faible fürs Gigantische.“ Katar mit seinem Reichtum könne eine WM schultern, ebenso wie China oder Russland. Und demokratische Strukturen, in denen zahlreiche Gremien und sogar die Bürgerinnen und Bürger mit entscheiden dürfen, wären für die ­FIFA nur hinderlich. Zudem sei der Verband selbst sehr korruptionsanfällig.

Staaten mit autokratischen Zügen nutzten dagegen die Möglichkeit, sich als vorbildliche Länder zu präsentieren. „Sportswashing“ nennt das der Journalist. Katar wolle sich und sein Ansehen in der Welt durch den Fußball reinwaschen. „Während der WM wird es auch keine sichtbaren Repressalien geben.“ Doch danach kehre die Routine zurück – Frauen oder Homosexuelle würden dann wieder unterdrückt.

Leidenschaft um die Ecke

Und wie sollen sich Fans nun verhalten? Beim Eröffnungsspiel den Fernseher ausschalten? Auf ­Public ­Viewing verzichten, wie es Kneipenwirte in Düsseldorf vorhaben? Oder die WM einfach abhaken, da die Entscheidung pro Katar längst gefallen ist? Dietrich Schulze-­Marmeling gibt keine Empfehlungen. Aber: „Wir sollten uns nicht von der ­FIFA vorschreiben lassen, was Fußball ist.“ Leidenschaft und Sportsgeist könne man auch auf dem Platz um die Ecke erleben, nicht nur in den großen Stadien. Doch man müsse sich auch in Klaren sein: „Fußball ist immer politisch.“

Und das verstünden auch zunehmend die Profikicker selbst. Viele engagieren sich für soziale Themen, posten ihre Aktivitäten in den sozialen Medien und haben eine eigene Meinung. Das sei etwa 1978 bei der umstrittenen Fußball WM in Argentinien noch nicht so gewesen.

Info

Dietrich Schulze-­Marmeling stammt aus Kamen und hat bereits viele Sachbücher zum Thema Fußball verfasst. 2011 wurde sein Werk „Der FC Bayern und seine Juden“ zum Fußballbuch des Jahres gewählt. Er ist Anhänger von Borussia Dortmund.

Wolfgang Maas

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