800 Jahre Kirche St. Meinolfus – Zeitfenster in die Vergangenheit

Die Apostel Johannes und Andreas im Chor der Kirche entstanden später als die anderen der insgesamt zehn Apostel­bilder – sie zeigen die Apostel auch individueller. (Fotos: Flüter)

Anfang Oktober feiert Dörenhagen die Weihe der Kirche St. Meinolfus vor 800 Jahren. Das Datum gilt als Zeitpunkt der Gründung des Ortes. Die Kirche geriet beinahe in Vergessenheit, ­überdauerte die Jahrzehnte fast unverändert und ist heute ein historisches Denkmal ersten Ranges.

Dörenhagen. Vor mehr als 400 Jahren hat ein Künstler Maria in die Nische der Sakristei gemalt: Das Gesicht einer Frau unter einem Heiligenschein und einer Krone ist auch heute noch zu erkennen. Rote Farbe vom Schleier ist über das Antlitz und den Oberkörper gelaufen. Marlies Heimann steht vor dem Wandbild und fragt: „Sehen Sie das Kind?“ Der Jesus ist nicht leicht zu finden, doch auf dem Foto sticht der Kopf mit den intensiven blauen Augen sofort aus den verblassten Farben heraus – ein künstlerisches Überraschungsmoment und ein mysteriöses Detail des Bildes. Der Künstler hat kein Babygesicht gemalt, das war damals nicht üblich, sondern das Gesicht eines Kindes, das den Betrachter aufmerksam mustert.

Nicht nur diese Entdeckung macht die Kirche St. Meinolfus in Dörenhagen zu einem besonderen historischen und ästhetischen Erlebnis. Nachweislich 800 Jahre alt wird das Gotteshaus in diesem Jahr und die Dörenhagener feiern das Jubiläum mit großem Aufwand. Schließlich gilt die Kirchweihe 1222 auch als der Gründungstag des Ortes.

Der Geist der Gemeinschaft

Kirche und Dorf sind ohne die bischöfliche Siedlungspolitik auf der Paderborner Hochfläche nicht denkbar. Bischof Bernhard war es, der Anfang des 13. Jahrhunderts die Bauern aus dem Dörflein „Imminchusen“ umsiedelte. Ein Stück weiter östlich gründeten sie das Dorf Dörenhagen. Dort entstand auch die Kirche. Über dem westlichen Teil des Gebäudes ragt ein massiver, quadratischer Turm auf, der auch als Rückzugsort vor Feinden diente. Nur ein kleines Tor mit einem Rundbogen, das schnell verbarrikadiert werden konnte, gewährte Zutritt.

Der Kirchbau muss den Menschen aus Dörenhagen viele Opfer abgefordert haben. 23 Meter lang und 9 Meter breit untergliedert sich der Baukörper von innen in drei fast quadratische Kreuzgewölbe, unterbrochen von Gurtbögen – alles im Stil der Zeit, der Gotik. Auch das Ostfenster mit Säulen und Rundstäben ist frühgotisch.

Die Kirche verkörpere den Geist der dörflichen Gemeinschaft, meint Ortsheimatpfleger Ulrich Klauke – anders als andere Kirchen dieser Epochen, die oft von Klöstern errichtet wurden. Dort folgte die Architektur einer verbindlichen Hierarchie, alles war nach vorne, auf den Altar ausgerichtet.

Kirche St. Meinolfus – Im Inneren fast wie eine Höhle

In der bäuerlichen Kirche St. Meinolfus fehlte in den ersten Jahrhunderten ein Hochaltar, der alle Blicke auf sich gelenkt hätte. Es fehlte auch ein Gitter zwischen dem Altarraum und dem gläubigen Volk. Alle waren eins in diesem Gotteshaus, das allen Schutz bot und im Inneren fast wie eine Höhle wirkte.

Kirchen wie diese wird es im Mittelalter in vielen Dörfern gegeben haben. Im 19. Jahrhundert, als die Gemeinden wuchsen, fielen sie fast alle Neubauten zum Opfer. Nicht so in Dörenhagen. Dort entstand 1897 die größere neue Kirche an einem anderen Ort. Nur deshalb wurde St. Meinolfus nicht abgerissen. Heute ist das Kirchlein so etwas wie ein lebendiges Museumsstück, ein Stück Mittelalter, das nicht vergangen ist.

Das hat sich bereits herumgesprochen. Marlies Heimann erhält immer wieder Anfragen von Gruppen und Einzelbesuchern, auch Jakobspilgern, die die ­Kirche St. Meinolfus besichtigen wollen. Sie wohnt auf dem Imbsenhof neben der Kirche und fühlt sich fest verbunden mit dieser. Wie Ulrich Klauke kennt Marlies Heimann die Geschichte von St. Meinolfus bis ins Detail. Sie erzählt sie gerne und lässt genauso gerne Besucher in die Kirche, wenn diese an ihrem Fachwerkhaus anklingeln.

Im Wehrturm ausgeräuchert

Betreten muss man die Kirche durch ein barockes Portal in der Seitenwand. Ursprünglich führte eine kleine Eingangstür im Turm ins Innere. Versperrt wurde sie vielleicht von der massiven Tür, die heute die Sakristei verschließt. Die dicken Bretter weisen Kerben wie nach einem Axtschlag auf.

Tatsächlich sind Kirche und Wehrturm belagert worden. Es gab Streitereien um die Fläche des ehemaligen „­Imminchusen“, das zur Hude geworden war, einer Gemeinschaftsfläche, die von allen beweidet werden durfte.

Frühere Immighauser, die jetzt in Dörenhagen und Paderborn lebten, teilten sich die Weiden. Wie zu erwarten, gab es Streit. Schließlich zogen die bewaffneten „Kämper“ aus der Bischofsstadt nach Dörenhagen, um ihr Recht einzufordern. Die Angegriffenen verteidigten sich im Wehrturm. Sie mussten erst aufgeben, als die Kämper sie ausräucherten.

Erste Veränderungswelle der Kirche St. Meinolfus

In der Kirche erinnert der Altar, mit Grünbelag überzogen, an diese Anfangszeit. Bischof Bernhard hat an ihm die Messe zur Weihe von St. Meinolfus gefeiert. Er schritt dabei über denselben steinernen unebenen Fußboden wie die heutigen Besucher. 300 bis 400 Jahre nach der Weihe kam die erste Veränderungswelle. In der Kirche entstanden Wandmalereien, die zum Teil erhalten sind. Kurz vor dem Dreißigjährigen Krieg erhielt die Kirche die Glocke, die noch im Turm hängt und die Marlies Heimann mit einem Seil und Körperkraft läutet.

Einige Jahrzehnte später erhielt St. Meinolfus eine barocke Ausstattung: 1682 das neue Portal, einen Hochaltar, eine Kanzel und die gemalten Verzierungen an den Säulen und den Wänden.

1924 gab die Dörenhagener Gemeinde ihren Altar aus der leer stehenden Kirche an die Hövelsenner ab, die sich eine Kirche gebaut hatten, aber einen Hochaltar vermissten.

Als das barocke Interieur verschwunden war, sahen die Dörenhagener den Innenraum von St. Meinolfus plötzlich mit den Augen ihrer mittelalterlichen Vorfahren. Der Raum wirkte geschlossener, noch einheitlicher, das gotische Fenster, das hinter dem Altar verschwunden war, schaffte eine hohe, helle, erhabene Stimmung.

Das ging so bis 1973, als die Sennekirche dem Truppenübungsplatz weichen musste und der Altar zurückkam nach Dörenhagen. Seitdem sind die Senner immer wieder nach Dörenhagen gekommen, um an ihrem alten Altar Messe zu feiern.

So viele Geschichten um eine kleine, bescheidene Kirche, an der die meisten Autofahrer in Dörenhagen vorbeifahren, ohne sie zur Kenntnis zu nehmen. Im Schatten der Bäume verbirgt sich die Geschichte, hinter den dicken Mauern, im kühlen und feuchten Kirchenraum ein Zeitfenster, das zurückführt zu den Anfängen des Christentums in Westfalen.

Karl-Martin Flüter

Info

„Raum der Geschichte“: Unter diesem Namen haben die Dörenhagener ihre alte Kirche zu einem zentralen Ort des Jubiläums „800 Jahre Dörenhagen“ gemacht. Der Festakt während des großen Dorffestes am Sonntag, 2. Oktober, 13 Uhr, findet auf dem Gelände des alten Friedhofes rund um die Kirche statt. Bereits am Samstag, 17 Uhr, ist St. Meinolfus Ort eines ökumenischen Gottesdienstes. Das Festhochamt zur Erinnerung der Kirchweihe vor 800 Jahren feiert Weihbischof Dominicus Meier am Sonntag, 9. Oktober, um 9.30 Uhr.

Weitere Berichte über die Katholische Kirche finden Sie im E-paper oder der aktuellen Printausgabe des DOM. Schauen Sie mal rein. Es lohnt sich bestimmt.

0 Kommentare
Inline Feedbacks
Alle Kommentare anschauen