Wut und Hilflosigkeit in der Dortmunder Nordstadt

Vertreter der evangelischen und der katholischen Kirche in Dortmund nahmen am Totengedenken für den ums Leben gekommenen Mohammed D. teil (von links): Pfarrer Ansgar Schocke, Oberbürgermeister Thomas Westphal, Pfarrer Friedrich Stiller, Imam Ahmad Aweimer, Imam Abduramane Djalo von der Afrikanischen Kultur-­Gemeinde. (Foto: Bodin/Kath. Pressestelle Dortmund)

Der Fall sorgt für Wut und Hilflosigkeit: Am 8. August wurde in der Dortmunder Nordstadt ein 16-­Jähriger von der Polizei erschossen. Die Rede ist von Schüssen aus einer Maschinenpistole und ausgeschalteten Bodycams. „Es gibt noch viele offene Fragen“, sagt auch der dortige Pfarrer Ansgar Schocke.

Dortmund. Diese vielen offenen Fragen dürfen für die Geistlichen aber nicht zu wilden Spekulationen oder Anschuldigungen führen. „Ruhe reinzubringen ist ein großes Anliegen von uns als Kirche“, so Schocke. Deshalb lud die Pfarrei eine Woche nach der Tat zu einem Gottesdienst in die Kirche St. Antonius ein – und zwar alle Beteiligten.

„Vertreter der Polizei waren nicht da. Das finde ich schade.“ Insgesamt seien nur 35 Personen zum Gottesdienst gekommen, obwohl es im Vorfeld viele Nachfragen gab. Dennoch war es „ein bewegender Gottesdienst, wir beteten auch für die Polizei, die Nachbarn, die Wohngruppe, die Rettungssanitäter und die Mitarbeiter in der Notaufnahme des Klinikums Nord“, so der Pfarrer.

Wut und Hilflosigkeit und Raum für Trauer

Inzwischen hat sich auch der Landtag Nordrhein-­Westfalens mit den Ereignissen beschäftigt. In der Nordstadt selbst sei es ruhiger geworden. Pfarrer Schocke erwartet eine „lückenlose und transparente Aufklärung“. Und er betont: „Ich vertraue auf die Rechtsstaatlichkeit.“ Und die Kirche könne in einer solchen Situation Raum geben für Trauer und das Gefühl der Ohnmacht. Im Vordergrund stehe die Würde des Verstorbenen. An Spekulationen möchte sich Schocke nicht beteiligen, fragt: „War ich dabei?“.

Generell müsse sich die Gesellschaft immer wieder fragen, wie sie mit Menschen, die nach Deutschland kommen, umgehen will. Die Kirche biete da eine gute Basis. „Unsere Gottesdienste und unsere Gemeinde sind multikulturell. Heute Vormittag waren zwölf Leute aus zwölf Ländern im Gottesdienst. Der gemeinsame Glaube ist etwas besonderes, das die Menschen zusammenbringt.“ Zudem geben auch Messen in unterschiedlichen Sprachen „Sicherheit und Geborgenheit“.

Dennoch dürfe man die Augen vor den Problemen in der Nordstadt nicht verschließen. Dass dunkelhäutige Menschen gezielt von Polizisten angesprochen werden, bestätigt Pfarrer Schocke. Es gebe auch Drogenkriminalität, die nicht im Verborgenen stattfindet. Und die Polizei zeigt Präsenz. Der Fall des erschossenen, mutmaßlich psychisch kranken 16-­Jährigen dürfe aber nicht dazu führen, dass sich Teile der Gesellschaft radikalisieren. Die Kirche setze deshalb auf einen Dialog und ruft zur Besonnenheit auf. Denn auch das Leben der beteiligten Polizeibeamten habe sich an diesem Montag radikal verändert.

Weitere Gedenkgottesdienste oder andere Aktionen sind vonseiten der Pfarrei derzeit nicht geplant.

Wolfgang Maas

Info

Der 16-­jährige Mohammed D. stammt aus dem Senegal und kam als Geflüchteter in die Dortmunder Nordstadt. Dort lebte er in einer katholischen Jugendhilfe­einrichtung. Er galt als traumatisiert und selbstmordgefährdet.

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