25.12.2021

Gold, Weihrauch und Myrrhe – Über die Bedeutung von Geschenken

Gold, Weihrauch und Myrrhe – die Gaben der drei Weisen aus dem Morgenland beflügeln seit ­Jahrhunderten die Fantasie der Künstler und Gelehrten. Was bedeuten diese Geschenke, was sagen sie über die Geber und den Empfänger? Und Kinder haben ihre ganz eigene Einschätzung, wie Rita Burrichter erfahren hat.

„Die hätten mal lieber was Gescheites bringen sollen!“

Der kleine Bruder von Lisa bringt es auf den Punkt. Die etwas älteren Grundschulkinder haben höflich-­freundlich zugehört, was ich ihnen im Museum vor dem Weihnachtsbild über die Weisen aus dem Morgenland erzähle, aber der fünfjährige Tobias ist unzufrieden beim Anblick komischer goldener Schatullen und Kelche. Er hat nämlich zwei ganz kleine Cousinen und weiß, dass Babys nix anfangen können mit Gold, Weihrauch und Myrrhe. Pampers wären besser gewesen, ein Greifring, eine Spieluhr. Im Nu sind wir – die Klasse 4a, Tobias, die Lehrerin, zwei begleitende Mütter und ich – in ein intensives Gespräch über die Bedeutung der Geschenke verstrickt, von denen das Matthäusevangelium erzählt.

Die Weisen heißen im griechischen Text bei Matthäus „Magier“ und die spätere Erzähltradition macht aus ihnen drei Könige, weil sie nämlich drei Gaben bringen: Gold, Weihrauch und Myrrhe. Das Internet ist voll von katechetischem Populärwissen dazu, das auch meine Museumsgruppe nun austauscht: das glänzende Gold als Geschenk für den König, der im Gottesdienst gebrauchte Weihrauch als Hinweis auf seine Göttlichkeit, das auf Tod und Begräbnis anspielende Salböl Myrrhe als Hinweis auf seine Menschlichkeit. Das hier vorgestellte spätbarocke Ölgemälde über dem Tabernakel des Hochaltares in St. Nikolai zu Brilon nimmt solche Anspielungen zum Zusammenhang von Krippe und Kreuz, von Inkarnation und Erlösung auf, wenn es Jesus und Maria schon in der Konstellation einer Pieta zeigt. 

Glanz der Weihnacht

Die frömmigkeitsgeschichtliche Ausdeutung durch die Erzähl- und Bildtradition kennt noch weitere symbolische Deutungen, z. B. die unterschiedlichen Lebensalter der Weisen: für Jung und Alt, für alle ist Gott gekommen. Und zwar überall: Die mittelalterliche Identifizierung der Heiligen Drei Könige als Caspar, Melchior und Balthasar verweist mit dem auch hier gezeigten dunkelhäutigen König auf den Erdteil Afrika, mit den hellhäutigen Königen auf Asien und Europa: Alle Welt anerkennt diesen König. Das tun auch schon im Wortklang der griechischen Sprache des Evangeliums die Geschenke und dass ich die griechischen Namen für diese Geschenke „chrysos“, „libanos“ und „smyrna“ kenne, hat mir bei einer anderen Gelegenheit die große Freude zweier Schüler eingebracht.

Einen vor Gold strotzenden Krösus hatten wir zwar nicht in der Klasse, aber das Kind libanesischer Geflüchteter platzte vor Stolz, dass der beste Weihrauch, wie der Name schon sagt, aus dem Libanon kommt. Und der türkische Mitschüler suchte und fand eifrig auf der Karte von Kleinasien, im Gebiet der heutigen Türkei, Smyrna (heute: Izmir). Dass die Muslime der Klasse dergestalt vom Glanz der Weihnacht berührt wurden, hat wiederum mich sehr berührt.

Solche symbolisch-universa­lisierenden Deutungen sind frömmigkeitsgeschichtlich naheliegend und religionspädagogisch hilfreich, aber exegetisch nicht haltbar. Beim Neutestamentler Joachim Kügler lese ich, dass die Schätze bei Matthäus alle „nur“ die Königsherrschaft umspielen und dabei einen deutlich messianischen Unterton haben: Das Königreich Gottes ist schon angebrochen und wird vollendet werden. Die Bedeutung der Geschenke bezieht sich auf den Beschenkten, mit ihnen wird Jesus charakterisiert. Die Besucher qualifizieren mit ihren Gaben den Besuchten, der höher steht als sie selbst. Der vordere König im roten Mantel wagt nicht einmal, das Kind anzuschauen.

Gold, Weihrauch und Myrrhe – eher Unpraktische Geschenke

Ja, es sind wirklich unpraktische Geschenke, die die Weisen da bringen. Ganz und gar unnötig. Herausgenommen aus den menschenmöglichen Beziehungen von Geben und Nehmen. Denn der Messias, der König, der Herr braucht nichts von uns. Er wird kommen, er ist schon da. Das ist uns gesagt im mensch­gewordenen Zuwendungswort Gottes, dem in Windeln gewickelten Kind. Aber, so formuliert es der Pastoraltheologe Jörg Seip, die Worte lassen das nur anklingen, sie sind mehrdeutig, auslegbar in diese und jene Richtung. Wir sehnen uns nach Nähe und Bestätigung. Die Könige kommen mit ihren Gaben der Verheißung als Grund ihres Aufbruchs ganz nah. Dieses Kind als Zuwendung Gottes, als Gnade, als Gabe für uns, auf die es keine Gegenleistung gibt, nicht einmal Dankesschuld? Die Sachen, die die Könige bringen, machen das uns Gesagte dingfest im Wortsinn. Lassen Sie sich reich beschenken!

Prof. Dr. Rita Burrichter

Unsere Reihe im Advent haben wir gemeinsam mit Prof. Dr. Rita Burrichter von der Universität Paderborn konzipiert. Frau Burrichter ist seit 2004 Professorin für Praktische Theologie an der Universität Paderborn. Ihre Forschungsschwerpunkte sind u.a. Bildtheologie und Bilddidaktik, ästhetisches Lernen im Religionsunterricht und Religion in der Popkultur.

Weitere Artikel von Prof. Burrichter

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