Pfarrgemeinderatswahlen – Die Wähler an die Urne bringen

Matthias Kolk ist Diplom-Theologe und Diplom-Psychologe. Seit 2009 arbeitet er als Referent für Rätearbeit im Erzbischöflichen Generalvikariat in Paderborn. (Foto: Patrick Kleibold)

Am kommenden Wochenende finden die Pfarrgemeinderatswahlen im Erzbistum Paderborn statt. Matthias Kolk, Referent für Rätearbeit im Generalvikariat, spricht im Interview unter anderem über Kandidatensuche und Zusammenarbeit sowie über die Frage, wie sich die geringe Wahlbeteiligung steigern lässt. DasInterview führte Andreas Wiedenhaus.

Herr Kolk, gibt es im Erzbistum noch flächendeckend Pfarrgemeinderäte?

„Rückblickend auf die letzten Wahlen gab es hier und da immer mal wieder kleine Gemeinden, wo kein PGR gebildet werden konnte. Das waren ungefähr zehn, also absolute Ausnahmefälle angesichts der rund 600 Pfarrgemeinden im Erzbistum. Wie dies nach den kommenden Wahlen aussieht, kann ich jetzt aber noch nicht mit Gewissheit sagen.“

Die Quantität ist die eine Seite, die Qualität die andere: Was braucht es, damit die Zusammenarbeit in diesem Gremium gut läuft?

„Eine Voraussetzung ist, dass Sitzungen gut vorbereitet sind, was ja Aufgabe des Vorstandes ist. Dazu gehört, dass Informationen zu den Themen der Tagesordnung vorher verschickt bzw. kommuniziert werden. Das hilft, um Zeitpläne einzuhalten und trägt letztlich wesentlich zu einem guten Ergebnis bei. Dazu braucht es die Unterstützung des Pastoralteams für den Vorstand. Und nicht zuletzt ist die Frage, ob das, was gemacht und entschieden wird, auch Freude macht!“

Was ist wichtiger: Die Freude über die Themen oder die über eine gute Zusammenarbeit?

„Die Frage, wie etwas gestaltet wird, ist natürlich wichtig! In der Vergangenheit habe ich aus PGR aber auch immer mal wieder die Rückmeldung bekommen, dass es einfach zu viel Arbeit gab. So eine Überlastung sorgt ebenfalls nicht für Zufriedenheit. Hinzu kommt unter Umständen der Frust, wenn Angebote oder Veranstaltungen in der Gemeinde nicht auf die erhoffte Resonanz treffen.“

„Weil wir gemeinsam Kirche sind!“ lautet ein Motto für die Pfarrgemeinderatswahlen. Nun erleben Ehrenamtliche das manchmal gerade in der Gremienarbeit aber anders.

„Mit den Plakaten sollte eine Antwort auf die Frage gegeben werden, warum man eigentlich für den Pfarrgemeinderat kandidieren sollte, warum man wählen sollte: weil wir eben gemeinsam Kirche sind! Weil die Gremien wichtig sind und wir sie brauchen! Einerseits weiß ich, dass das sehr unterschiedlich läuft. Andererseits ist gerade das, was motiviert, die eigene Gemeinde oder auch die Gruppe, zu der man gehört. Dafür setzt man sich ein, sie ist einem wichtig, dort ist man vernetzt und lebt den Glauben in Gemeinschaft mit anderen.“

Zentral beim PGR ist die Zusammenarbeit zwischen Haupt- und Ehrenamtlichen. Wo sind gerade die Hauptamtlichen gefordert– etwa wenn es darum geht, mit Entscheidungen zu leben, die man selbst vielleicht anders getroffen hätte? Das war besonders in den letzten Monaten nicht leicht.

„In der Pandemie mussten manche Entscheidungen sehr schnell getroffen werden. Das hat es manchmal schwer gemacht, die ehrenamtlichen Gremien einzubeziehen. Zeit für Planung und Kommunikation, die es braucht, damit eine Entscheidung auf breiter Basis getroffen werden kann, war manchmal einfach nicht da. Hinzu kommt, dass es ein Pastoralteam, das sich wöchentlich trifft, natürlich einfacher hat als ein Gremium, das nur alle sechs Wochen zusammenkommt. Trotzdem gibt es aus den letzten Monaten genug Beispiele dafür, dass die Abstimmung funktioniert hat. Denn eines darf man nicht vergessen: Gemeinsam getroffene Entscheidungen sind nachhaltiger, weil sie breiter mitgetragen werden! Das war der Grundgedanke bei der Schaffung der Pfarrgemeinderäte.“

Trotzdem muss man ab und zu Dinge mittragen, mit denen man nicht glücklich ist!

„In der Pandemie war das zum Beispiel die Frage, ob und wie man wieder Eucharistie feiern kann: Da die Eucharistie Quelle und Höhepunkt unseres Glaubens bildet, war es für Pfarrer und Hauptamtliche keine Frage, dass sie wieder mit der Gemeinde gefeiert wurde, sobald das unter Auflagen möglich war. Eine aus dieser Sicht nachvollziehbare Entscheidung. Bei den ehrenamtlichen Gremien habe ich dagegen häufiger wahrgenommen, dass sie darauf geschaut haben, welches Zeichen man damit in die Öffentlichkeit trägt: Wie stehen wir eigentlich da, wenn wieder Gottesdienste gefeiert werden– und dann noch mit der Hochrisiko-Gruppe–, wenn alle anderen noch im Lockdown sind? Sollten wir dann nicht solidarisch sein? Wobei beide Perspektiven wichtig sind. Allerdings müssen sich Ehrenamtliche zu dem, was gerade in der Kirche so läuft, anders rechtfertigen, etwa am Arbeitsplatz oder gegenüber Freunden und Bekannten.“

Rechtfertigen ist ein gutes Stichwort: Zurzeit läuft es nicht gut für die katholische Kirche, Stichwort Missbrauchsskandal. Das macht die Kandidatensuche nicht einfacher!

Sicherlich nicht. Wobei das Phänomen, dass es immer schwieriger wird, Kandidatinnen und Kandidaten zu finden, nicht neu ist: Diese Rückmeldung haben wir bei vorangegangenen Wahlen auch schon bekommen. Die Großwetterlage, um es mal so zu sagen, belastet die Situation vor Ort natürlich zusätzlich. Auch hier wieder der Punkt, dass man als Ehrenamtlicher für Dinge geradestehen muss, für die man nichts kann und die man ebenfalls kritisch sieht. 

Prügel beziehen für Dinge, für die man nichts kann: keine einfache Position!

Da spielen auch die persönlichen Erfahrungen, die man vorher gemacht hat, eine große Rolle: zum Beispiel die Frage, wie man vom Pastoralteam unterstützt wurde, ob Entscheidungen wirklich gemeinsam getroffen wurden, oder ob man sich übergangen fühlte. All das gehört dazu. Wenn die Erfahrungen eher negativ waren, sagen viele Ehrenamtliche, dass sie ihre Zeit nicht darauf verwenden, frustriert zu werden. Für den PGR heißt das, dass man nicht weitermacht. 

Kann das dazu führen, dass nicht unbedingt die richtigen Leute im PGR sitzen? Oder umgekehrt gefragt: Wie findet man die richtigen?

Für wichtig halte ich, dass man einen Stamm von PGR-Mitgliedern hat, die in der Gemeinde vernetzt und verwurzelt sind, die wissen, wen sie ansprechen müssen, und die auch selbst angesprochen werden, wenn es um Themen oder Probleme geht. Da stellt sich die Frage, wie viele dieser Menschen es in einer Gemeinde noch gibt und wer bereit ist, so eine Aufgabe zu übernehmen. Dieser Kreis ist in den letzten Jahren sicher kleiner geworden.  

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Es wird also immer schwieriger, junge Menschen für die Gremienarbeit zu gewinnen?

2013 hatten wir nach der PGR-Wahl gemeinsam mit dem BDKJ alle Mitglieder unter 28 Jahren eingeladen, das waren damals gar nicht so wenige. Die Entwicklung der letzten Jahre bestätigt aber, dass es zunehmend problematischer wird, junge Menschen zu gewinnen. Jüngere scheiden unter Umständen auch eher wieder aus, weil sich ihre Lebenssituation beispielsweise durch ein Studium ändert. 

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Die Wahlbeteiligung ist immer überschaubar. Was kann man da tun?

Die Tendenz ist immer sinkend gewesen seit der Einführung der Pfarrgemeinderäte. Um die Beteiligung zu erhöhen, muss man den Wählern entgegenkommen. Da ist unter Umständen der Weg nach dem Gottesdienst an die Wahlurne im Pfarrheim schon zu lang. 2013 hat die Hälfte der Gottesdienstbesucher gewählt, 2017 nur noch ein Drittel. Das Bistum Münster zum Beispiel führt zum zweiten Mal eine allgemeine Briefwahl durch. Auch bayerische Diözesen machen das. Allerdings ist es ein Riesenaufwand, allen Wählern die Unterlagen zuzuschicken. Im Erzbistum Paderborn gibt es das Pilotprojekt der Online-Wahl. Vier pastorale Räume probieren das aus. Diese Wahl läuft über zwei Wochen. Wir hoffen auf eine höhere Beteiligung und gleichzeitig auf eine Entlastung vor Ort. 

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Angesichts des großen Aufwandes bei den Wahlen und der geringen Resonanz: Hat der PGR noch Zukunft?

Das System stößt an seine Grenzen, das stimmt. Deshalb suchen wir nach anderen Lösungen. So gibt es das Modellprojekt „Entwicklung der ehrenamtlichen Mitverantwortung“. In den letzten vier Jahren wurde in vier Modellräumen im Erzbistum nach neuen Ideen für ehrenamtliche Mitverantwortung gesucht. Aktuell wird das Modell in Kooperation mit der Uni Paderborn ausgewertet. Erste Ergebnisse, wie es anders gehen kann, gibt es bereits. Wichtig ist, solch ein Modell nicht am grünen Tisch zu entwerfen, sondern mit den Menschen in den Gemeinden. Deshalb ging es unter anderem um die Frage, wofür Menschen noch bereit seien, ehrenamtlich Verantwortung zu übernehmen. Die Antworten können eine Herausforderung sein. Aber auf jeden Fall kommt solch ein Ansatz den Bedürfnissen und Lebensumständen der Menschen entgegen. Dieser Prozess steht aber noch am Anfang.

Das gesamte Interview ist in der DOM-Ausgabe Nr. 43 abgedruckt. Hier geht es zum E-Paper und zum Probe-Abo.

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