31.10.2021

Erfüllte Menschen

Erfüllte Menschen

„Wir sind an einem toten Punkt“, so hat es P. Alfred Delp SJ 1944 in seinem Text „Das Schicksal der Kirchen“ formuliert und so hat es auch Kardinal Marx 2021 in seinem Rücktrittsangebot an den Papst diagnostiziert. Beide Texte sind insgesamt eindrucksvoll und aufrüttelnd, doch es ist diese Formulierung, die ins Mark trifft und die es aus dem Schreiben des Kardinals sogar bis in die Tagesschau geschafft hat. Vermutlich, weil sie ausdrückt, was viele in der Kirche empfinden.

Ja, genau, wir sind an einem toten Punkt. Das heißt nicht, dass die Kirche tot ist, aber sie tritt auf der Stelle. Es geht irgendwie nicht weiter. Woran liegt das, was ist das Problem? Alfred Delp meint, die Kirche sei „trotz aller Richtigkeit und Rechtgläubigkeit“ an diesen Punkt geraten. Also alles richtig gemacht, und doch falsch angekommen. Auf heute übertragen könnte man vielleicht ein bisschen bissig formulieren: Trotz allen Geldes, aller Konzepte und Methoden, trotz aller Gremien und Sitzungen, trotz aller Papiere und Flipcharts sind wir da gelandet, wo wir stehen. 

Es braucht erfüllte Menschen

Als Ausweg aus der Misere formuliert P. Delp zwei Sachverhalte, wie er das nennt: zum einen die Ökumene, zum anderen die Rückkehr in die Diakonie. Vor allem diese liegt ihm am Herzen. Er meint damit eine radikale Hinwendung zum Menschen in all seinen Verlorenheiten und Verstrickungen. Eine solche echte Diakonie kann aber nicht einfach angeordnet werden, sondern müsse von innen her gewollt und verstanden werden. 

Diese Stelle des Delp-Textes – und deswegen kommt man überhaupt darauf – hat sich Erzbischof Becker zu eigen gemacht und am Samstag vergangener Woche beim Diözesanen Forum zitiert. Es ging wieder einmal um die Zukunft des Erzbistums und wieder einmal wurden viele Moderationskarten beschriftet. Der Erzbischof sprach zu Beginn der Veranstaltung, aber das Delp-Zitat hätte gut auch am Ende gepasst, bezogen auf all das, was da zusammengetragen worden ist.

Delp schreibt: „Dies alles wird nur verstanden und gewollt werden, wenn aus der Kirche wieder erfüllte Menschen kommen.“ Erfüllt sind solche Menschen nach Delps Worten von göttlicher Kraft, es sind Menschen, die sich ganz auf Christus stützen und sie eben seien es, so Delp, die die Kirche weiterbringen, die ihr helfen, auf Rechthaberei und Selbstbeweihräucherung zu verzichten. Es sind Menschen, „denen es nur um eines geht: im Namen Gottes zu helfen und zu heilen.“

Helfen und heilen. Gott sei Dank hat es in der Kirche immer Menschen gegeben, die das beherzigt haben. 

Ihre
Claudia Auffenberg

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