Handwerkskunst im Missionshaus Neuenbeken

Die Paramentenwerkstätte der Missionsschwestern vom Kostbaren Blut ist Teil des Missionshauses in Neuenbeken.

Knötelstich, Hexenstich, Stilstich: seit Jahrzehnten entstehen im Missionshaus Neuenbeken mit der Paramentenstickerei kostbare Messgewänder oder Vereinsfahnen, echte Handwerkskunst eben. Zu Besuch in einem traditionsreichen Handwerksbetrieb.

„Das wird hier so’n bisschen geknubbelt“, sagt Ingrid Schrömgens. Mit ihrer Hand streicht sie über eine Eichel, die sie gerade auf eine Fahne stickt und die sich plastisch vom Tuch erhebt. Wie man dieses Plastische hinbekommt, war die Frage, „knubbeln“ die Antwort. Wenn die vier Frauen aus der Paramentenstickerei im Missionshaus Neuenbeken ihre Arbeit schildern, dann klingt es so einfach, als könne man selbst gleich morgen einsteigen. Doch wenn man eine Weile zuschaut, erledigt sich dieser Gedanke relativ schnell. Denn hier sind Profis am Werk, die ihren Beruf gelernt haben. Früher hieß der „Handstickerin“, heute „Produktgestalterin Textil (Stickerin)“. Das mag ein bisschen gestelzt klingen, aber es trifft doch eher das, was an den großen Tischen gearbeitet wird. Sticken ist nur ein Teil davon.

Handwerkskunst kommt aus der Mode

Es ist ein Beruf, der Geduld, Kreativität, Ausdauer, einen Blick für Farben und Strukturen sowie gute Augen erfordert. Doch anscheinend kommt dieser Beruf aus der Mode. Auch die Pandemie setzt solchen Werkstätten zu. Zu den Hauptkunden der Neuenbekerinnen gehören Schützenvereine aus der Region, die ihre Fahnen überarbeiten lassen. „Die Fahnen kommen nach dem Fest in den Schrank oder in die Vitrine. Im Januar, wenn das nächste Fest geplant wird, merkt der Verein: Oh, die Fahne müsste überarbeitet werden“, erzählt Margarete Allroggen. Überarbeiten heißt in der Regel: die alte Stickerei vorsichtig abnehmen und auf einen neuen Grundstoff aufbringen. Häufig müssen einzelne Elemente der Stickerei ergänzt werde.n

Auch Paramente werden noch gearbeitet, schließlich ist dies eine Paramentenwerkstatt, aber hier macht sich der Rückgang der Priester bemerkbar. Für einen der Neupriester dieses Jahres immerhin konnten sie noch ein Gewand arbeiten. Entwürfe machen sie in Neuenbeken nicht mehr, der Priester hatte selbst eine Idee, die sie umgesetzt haben. Aber auch das erfordert Kreativität. Denn es wird nicht im Sinne „Malen nach Zahlen“ gearbeitet, es gibt also kein detailliertes Stickmuster, vielmehr übertragen die Handstickerinnen die Entwürfe selbst auf den Stoff und entscheiden, welche Farbtöne am besten sind.

Wenn das Handwerk zur Kunst wird

Die Fahne, auf die Ingrid Schrömgens die Eicheln stickt, zeigt in der Mitte das Schloss Germete: ein großes Fachwerkgebäude mit Wiese im Vorder- und Bäumen im Hintergrund. Den Entwurf dazu hat einst Schwester Augustine, die langjährige und prägende Leiterin der Werkstatt gemacht, Ingrid Schrömgens kann sich noch erinnern. „Ich habe die Fahne damals selbst mitgestickt“, sagt sie. Schwester Augustine hatte eine Zeichnung angefertigt, die nur eine grüne Wiese zeigt. Wie die Wiese lebendig wirkt und nicht als eine eintönig grüne Fläche erscheint, das entscheiden die Stickerinnen und da kommt dann ihr Können und ihre Erfahrung zur Geltung. An dieser Stelle ist echte Handwerkskunst gefragt.

Oder, wenn in der Neuenbekener Gemeinde mal der Prozessionshimmel halb abgebrannt ist, aber heute die Brandspuren nicht mehr zu sehen sind. Oder, wenn mal ein Fehler passiert und beim Aufsticken eines Schriftzuges oder eines Namens ein Buchstabe vergessen wird. So etwas fällt natürlich immer erst auf, wenn es eigentlich zu spät ist. Was dann? „Dann setzen wir den so hin“, sagt Andrea Wulf, „dass es so aussieht, als sei die besondere Position Absicht.“ Na bitte, auch an so was erkennt man eben den Profi.

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