16.10.2020

Warum die Pest so gefürchtet ist

Beeindruckendes Bild: Je nach Blickwinkel des Betrachters scheinen sich die Gesichter der Masken zu bewegen. Rund 50 Hernerinnen und Herner bastelten sie vor der Corona-Pandemie. Bis zu zwei Stunden waren sie mit einer Maske beschäftigt. Foto: Maas

Herne. Pandemie, zweite Welle, Quarantäne – die Begriffe ähneln sich. Doch im LWL- Museum für Archäologie in Herne geht es nicht um Corona und COVID-19, sondern um eine andere Krankheit: die Pest. Die ist zwar heute heilbar, doch alleine das Wort lässt einen zusammenzucken. Kein Wunder, wenn man bedenkt, wie die Seuche gewütet hat. Und das zeigt die Ausstellung, die noch bis zum 15. November zu sehen ist, sehr deutlich.

Noch bis zum 15. November

Dr. Stefan Leenen, wissenschaftlicher Assistent im Museum, weist gleich zu Beginn des Rundgangs auf „das größte Teil der Ausstellung hin“, das eine Tonne wiegt. Es handelt sich um den Anker des Handelsschiffes, dass für den Ausbruch der Pest in Marseilles im Jahr 1720 verantwortlich gemacht wurde. Die Seefahrer waren im vorderen Orient sowie in Ägypten unterwegs und hatten – im wahrsten Sinne des Wortes – die Pest an Bord.

Strenge Einreisebedingungen 

Doch eigentlich wäre das kein Problem gewesen. „Die Einreisebedingungen waren schon damals sehr streng“, betont Dr. Leenen. Für Marseilles wie für zahlreiche andere Handelshäfen bedeutete das: Das Schiff musste zuerst in einer separaten Bucht vor Anker gehen. Dort händigt der Kapitän die Papiere an sogenannte Gesundheitskommissare aus und informiert darüber, wo das Schiff unterwegs war. Kommt es aus einem – modern gesprochen – Risikogebiet, folgte die Quarantäne. Gibt es keine Pestfälle, durften die Seeleute den regulären Hafen ansteuern.

Korruption und Habgier

„Das System hat auch funktioniert“, erklärt Leenen – nur nicht in diesem Fall. Denn Korruption und Habgier sorgten dafür, dass die Mannschaft mit gefälschten Papieren unterwegs war. „Es gab sogar einen Landgang in Italien, währenddessen die Seeleute zu einem Arzt gingen“, so Dr. Leenen. Der bestochene Mediziner stellte Papiere aus, die alle für gesund erklärten. Die Folge war der letzte große Pestausbruch in Europa.

Sündenböcke gesucht

Bei allen Parallelen zur heutigen Pandemie zeigt die Ausstellung auch deutlich, welche Unterschiede es gab. Denn die Medizin war überfordert und überfragt, anders als die Ausstellungsbesucher. Denn gleich zu Beginn gibt es Informationen zu der Verbreitung, den Symptomen sowie zum Krankheitsverlauf. Das wussten die Menschen damals natürlich noch nicht. Stattdessen deuteten sie Omen, Prophezeiungen oder Sternenkonstellationen. Und so ist es nicht verwunderlich, dass schnell Sündenböcke gesucht wurden. Auch darauf gehen die Ausstellungsmacher ein.

Strafe Gottes für sündhaftes Leben

Auch die Kirche stellte sich auf die Pandemiewellen ein. Gemälde zeigen, wie im 15. Jahrhundert immer mehr Menschen immer schneller beerdigt werden mussten. Die Pestheiligen Rochus und Sebastian sind in Bildern zu sehen. Auch eine Schrift von Martin Luther beschäftigt sich mit der Frage, ob und wer vor der Pest aus seiner Heimat fliehen darf. Denn dass die Krankheit nur eine Strafe Gottes für sündhaftes Leben sein kann, daran zweifelte früher niemand.

Kreative Lösungen

Doch auch die Kirche hatte pragmatische Lösungen gefunden. Zu sehen ist zum Beispiel ein langer Metallstab. Dieser wurde genutzt, um an Erkrankte Hostien zu verteilen – mit sicherem Abstand. Laut Stefan Leenen funktionierte das tatsächlich.

Pest noch nicht verschwunden

Nach einem Rundgang versteht man gut, warum ein Pestausbruch auch heute noch für Schlagzeilen sorgt. Denn verschwunden ist die heute heilbare Krankheit noch nicht. Sie tritt immer mal wieder auf, zuletzt etwa in Indien und Madagaskar. Doch ihr Ruf ist legendär. Und sogar in der Bibel wird an 50 Stellen eine Krankheit erwähnt, bei der es sich um die Pest handeln könnte. Da die Symptome allerdings nicht genau beschrieben werden, bleibt das Spekulation.

Info

Das LWL- Museum für Archäologie am Europaplatz 1 in 44623 Herne hat dienstags, mittwochs und freitags zwischen 9.00 und 17.00 Uhr geöffnet sowie donnerstags von 9.00 bis 19.00 Uhr. An Wochenenden und Feiertagen ist die Sonderausstellung zwischen 11.00 und 18.00 Uhr zu sehen. Vor einem Besuch sollte man sich per Telefon unter 0 23 23/9 46 28 33 sowie unter der Internetadresse www. lwl-landesmuseum-herne.de über die aktuellen Corona- Schutzmaßnahmen informieren.

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