21.08.2020

Himmelwärts gerichtet

Das Jazz-Nonett „Fritz Krisse New Chance“ verinet den Sound des Jazzband mit dem Klang eines Streichquartetts. Foto: Flüter

Hardehausen. Eine alte Kirche, moderner Jazz und ein ewig junger Dichter: Das hat mehr miteinander zu tun, als man vermuten sollte. Die Macher des „Klostersommers 2020“ haben das offenbar gewusst, als sie am vergangenen Wochenende zu einem Abend mit Jazz und Lyrik in die Klosterkirche Hardehausen einluden. Das Publikum war am Ende vollkommen überzeugt von dem Konzept und bedachte die Künstler mit viel Beifall.

Der Klostersommer ist eine Veranstaltungsreihe des Netzwerkes „Klosterlandschaft- OWL“. Bereits sechsmal hatte das Netzwerk zu einem jährlichen Klosterfestival eingeladen. In diesem Jahr schien Corona die Realisation zu gefährden. Mit einem reduzierten Programm gelang es dennoch, das Programm unter dem neuen Namen „Klostersommer“ zu großen Teilen umzusetzen. Auch in Hardehausen griffen die behördlichen Auflagen zur Corona- Prävention, vor allem die Abstandsregelungen. Es hätten sicher mehr Zuhörer in die Klosterkirche gepasst und dieser Abend hätte sicher auch ein größeres Publikum verdient gehabt. 

Jazz und Lyrik

Der große Reiz lag in der Synthese der beiden Kunstformen Jazz und Lyrik. Das nach ihrem Leiter benannte Jazzorchester „Fritz Krisse New Chance“ spielt eine wunderbar elegische Musik, die den Sound einer Jazzband mit dem Klang eines Geigenquartetts verbindet. Hans Hermann Jansen, Projektleiter des Netzwerkes „Klosterlandschaft- OWL“, las zwischen den Musikstücken Gedichte eines Mannes, der dem Jazz in Haltung und Weltverständnis immer nahe gewesen ist. Ernesto Cardenal, Priester, Revolutionär, Dichter und Sozialutopist, ist im Frühjahr dieses Jahres gestorben, Corona begann da gerade die Nachrichten zu erobern. Aber Carde nals Gedichte leben, ja, sie leuchten geradezu in die aktuelle Zeit hinein.

Man solle Gott loben mit „ Blues und Jazz, mit Sinfonie orchestern und Spirituals, mit der Fünften von Beethoven, mit Gitarren und Xylofonen“, hat Ernesto Cardenal in seiner berühmten Übersetzung des Psalms 150 geschrieben. Fritz Krisse lebt diese Vermischung der Stile und Zeiten. Mit seinem Kontrabass stand er in der Hardehausener Kirche in der Mitte der neun Musiker und veränderte sich immerzu wie ein Vexierbild. Mal zupfte er virtuose Läufe auf dem Bass, dann dirigierte er die Einsätze, um nur wenige Momente später als Streicher das Geigenquartett um den Bass zu ergänzen. 

Klosterkirche als Kulisse

Die Musik des Nonetts ist moderner Jazz auf der Höhe der Zeit, der mühelos Jazzgroove, verführende Melodien, komplexe Rhythmen und eine avancierte, an der modernen Klassik geschulte Harmonik zusammenbringt. Die Höhepunkte des Konzertes kamen dann, wenn das Streicherquartett die musikalische Idee übernahm und wie mit einer großen Welle erhob und steigerte: eine euphorische, himmelwärts gerichtete Musik, die gut in die Klosterkirche passte. 

Überhaupt war die Klosterkirche mitverantwortlich für den Erfolg dieses Abends. Der vor einigen Jahren renovierte, helle Raum ist mit seinem an ein Zelt erinnernden Dach und seiner Offenheit zur Umwelt ein Ort, an dem verschiedene Kulturen gut zusammenkommen können. 

In einem Zelt unter dem weiten Sternenhimmel kann man sich am besten Ernesto Carde nal vorstellen, wie er sein Gedicht „In den Augen aller Menschen“ vorträgt. In Hardehausen übernahm Hans Hermann Jansen die Rezitation und doch wurde der Priesterdichter in dem ostwestfälischen Kloster gegen wärtig. 

In den Augen aller Menschen wohne ein „unstillbares Begehren“, hat Cardenal geschrieben, „der gleiche Funke unstillbaren Verlangens, das gleiche heimliche Feuer, der gleiche unheimliche Durst nach Glück. Dieser Durst, den alle Menschen spüren, ist die Liebe zu Gott“. Beim Klostersommer in Hardehausen war von diesem Gefühl viel zu spüren. 

Info

Kultursommer 2020

Der Kultursommer wird fortgesetzt. Die Termine der weiteren Veranstaltungen und Informationen dazu sind auf der Internetseite www.kulturstiftung- marienmuenster.de zu finden.

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