05.06.2020

Warum sich Pilgern vor der Haustür lohnt

Kein Pilgerort auf den ersten Blick, doch auch im Dortmunder Hauptbahnhof gibt es einiges zu entdecken. Foto: Maas

Dortmund. Wer pilgert kommt rum und legt innerhalb kürzester Zeit beachtliche Kilometer zurück– so will es das Klischee. Einen Pilgerweg vor der eigenen Haustür verspricht dagegen das Autorinnen-Team, das das Büchlein „StadtPilgern in Dortmund“ zusammengestellt hat. Und schnell erkennt man: Alle Stationen liegen innerhalb des Walls, lassen sich also zu Fuß schnell erreichen. Dann mal los!

von Wolfgang Maas

Start ist am Bahnhof, der schon seit Jahren vor allem eines ist: eine beeindruckende Baustelle. Hier wird bei laufendem Betrieb versucht, dem alten Gebäude seine Barrieren zu nehmen– ein Unterfangen, das wegen Staub, Sperrungen und Lärm den Reisenden und Pendlern viel Geduld abverlangt. Die Autorinnen lenken den Blick dagegen auf das große Glasfenster im Eingangsbereich. Es zeigt Dortmund und vor allem seine Malocher. Doch für welche Berufe stehen die Darstellungen? Hier lohnen sich ein zweiter und dritter Blick. Und: Warum sind eigentlich nur typische Männerberufe zu sehen?

Auffällig unauffällig

Die erste wirkliche Überraschung ist für mich das Deutsche Fußballmuseum. Ein Pilgerort? Diese in der Stadt wegen ihrer Finanzierung nicht unumstrittene Einrichtung? Doch die Autorinnen fanden einen geschickten Schachzug. „Lust auf ein Gedanken-Spiel?“, fragen sie– und stellen Stadion und Kirche gegenüber. Foul gegen Vergebung, verlorenes Spiel gegen „You will never walk alone“– das regt zum Nachdenken an. Dabei spielt es gar keine Rolle, wie man persönlich zum Fußball steht.

Es findet sich auch etwas aus der Reihe „Schon tausendmal dran vorbeigelaufen und trotzdem nie wirklich bemerkt“– und das ist bei der Skulpturengruppe „Optionen“ vor der Zentrale des Spar- und Bauvereines an der Kampstraße schon ein kleines Wunder. Denn die Kunstwerke ragen ziemlich hoch auf. Diese Stelen beinhalten kleine Wohnungen beziehungsweise Häuser, die in ihnen geschützt sind. Schutz ist ohnehin ein Motiv, das beim „StadtPilgern“ immer wieder aufgegriffen wird. Innehalten lohnt sich also.

Zengarten in der City

Am Dortmunder U– noch so ein nicht unumstrittenes Gebäude– vorbei geht es weiter zur Thier-Galerie. „Einkaufspassagen sind die modernen Kathedralen– stimmt das?“ Keine schlechte Frage in einer Stadt, in der es früher „Kathedralen der Arbeit“– sprich Zechen und Schwerindustrie– und sogar einen Fußball-Gott gab. Zumindest die Frage, wie lange man sich dem wuseligen Treiben nachdenkend entziehen kann, finde ich spannend.

Wesentlich besser ins Bild passen da der Propsteihof sowie der Platz von Hiroshima. Dort gibt es seit gut zehn Jahren einen Zengarten für Passantinnen und Passanten. Auch die Natur gehört zum „StadtPilgern“. Denn am Wall findet man auch Linden, jene Gehölze, die Martin Luther einst als „Friede- und Freudenbaum“ bezeichnete. Die Geschichte von Reinoldus, dem „Superhelden“, beendet den Rundgang. Da stellt sich fast schon automatisch die Frage: Wie viele Dortmunder wissen eigentlich noch, wer ihr Stadtpatron war?

Und was bringt das Ganze? Zumindest muss man nicht viel Zeit investieren– kann es aber. Und das lohnt sich. Denn selbst gebürtige Dortmunder dürften hier noch etwas entdecken, an dem man eben schon tausendmal vorbeigegangen ist– und es nun doch registriert hat. Das sind dann nicht unbedingt große Skulpturen oder architektonisch-provokante Gebäude. In der Petrikirche zum Beispiel lenken die Autorinnen den Blick zum Altarretabel. Hier sind es die Details, die man gerne und schnell übersieht.

 

Info

Acht Autorinnen

Das Büchlein „StadtPilgern in Dortmund“ ist in der Reinoldi-Kirche in der Dortmunder Innenstadt für 4Euro erhältlich. Entstanden ist es nach einem Seminar mit dem Titel „Werkstatt StadtPilgern“. An diesem nahmen Hedda Döring, Dorthe Grimberg, Ursula van Holz, Monika Jerzak, Christel Schürmann, Mechthild Schwarzenberger, Britta Steinhüser sowie Karin Stump teil. Sie erstellten auch den neuen Stadtführer für Pilger.

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