28.03.2019

„Unverdiente Liebe …“

Der Tisch ist gedeckt, eine jüdische Familie hat Anlass zu feiern, in diesem Fall: das Neujahrsfest.Foto: KNA

Die Liebe Gottes, des barmherzigen Vaters, gilt jedem Menschen, ohne Vorbedingung.

von Felicitas Hecker

Ein Mann hatte zwei Söhne … Mit diesen Worten lässt der Evangelist ein Gleichnis beginnen, das vermutlich zu seinen bekanntesten Geschichten zählt. Der lukanische Blickwinkel richtet sich zunächst einmal nur auf den einen Sohn. Dennoch ahnt man schon zu Beginn, dass auch das zweite Kind noch im Text vorkommen wird. Zwei Söhne – zwei Töchter … Dieser Anfang scheint verdächtig. Denn: Diese Konstellation kennen wir ja auch aus dem einen oder anderen Märchen.

Denken wir an Frau Holle. Da ist die Goldmarie, die fleißig ihres Weges geht und strahlend nach Erfüllung ihrer Aufgaben zurückkehrt. Ihre Schwester wird zur Pechmarie, deren Schicksal eine andere Wendung nimmt. Erinnern wir uns an Aschenputtel, die im Schatten ihrer Stiefschwestern ein trauriges Dasein fristen muss. Und bei den Männern? Da kommt die Erzählung in den Sinn, in der ein König seine Söhne aussendet, um eine Halle zu füllen. Nach dem Scheitern des ersten geht der zweite als „Gewinner aus dem Spiel“ hervor und das mit einer schlichten Kerze …

Während in der Welt der Märchen der Fokus meist auf dem Sympathieträger liegt, richtet Lukas offenbar unseren Blick auf den Verlierer-Typ. Fordernd, sogar ein wenig frech, tritt der jüngere der Geschwister auf und will sein Geld aus dem väterlichen Erbe. Das ist in Windeseile verbraucht … Und zwar nicht im Guten! Mag man am Anfang diesem Sohn noch Anerkennung gezollt haben (er ist ja ganz schön mutig, einfach aufzubrechen / ins Unbekannte zu ziehen!), hat er nun wohl bei jedem verspielt. Als er bei den Schweinen hockt, kann man denken: „Siehste! Das hast du jetzt davon!“

Doch es kommt zum zweiten Aufbruch in der Geschichte … Er will zurückkehren. Es soll aber kein Zurück in die Rolle des Sohnes im gemachten Nest sein. Der Weltenbummler möchte nun arbeiten, dienen, sich unterordnen. Interessant ist dabei seine Wortwahl, als er in der Heimat ankommt: „Vater … Ich bin nicht mehr wert, dein Sohn zu sein!“ Also: Sohn-(Tochter-)Sein … Das muss erst einmal verdient sein?!

Der Vater zeigt ihm allerdings unumwunden: Er braucht keinen zusätzlichen Knecht, er will sein Kind wieder in die Arme schließen. Ganz anders sieht es allerdings der Bruder, der sich ärgert über die scheinbar zu schnelle Aussöhnung in der Familie. Wie in den eingangs erwähnten Märchen hofft er offensichtlich auf eine Bestrafung für doch recht ungehöriges Verhalten. Wer selber Geschwister hat, kann sich hier wohl rasch hineinfinden. Da gibt es die Rivalitäten um die Gunst von Vater oder Mutter. Der jeweils andere wird in der eigenen Sichtweise schnell zum schon immer verhätschelten Nesthäkchen oder eben zum von Anfang an bevorzugten Kronprinzen … Bin ich nicht derjenige, der wesentlich mehr vorzuweisen hat als mein Bruder / meine Schwester? Müsste ich nicht der Liebling sein?

Nein – mit dem Vater im Lukas­evangelium ist Gott gemeint. Er offenbart eine andere Form der Gerechtigkeit: Es gilt die gleiche Liebe zu dem, der immer da war, wie zu dem, der mal einen Umweg geht. Der Knecht muss sich Ansehen verdienen, das Kind kann gar nicht aus dem Herzen he­rausfallen … Bleibt am Ende die Frage: Soll ich als Sohn oder Tochter also nichts tun? Vielleicht doch … Ich muss die Liebe annehmen können; in meinem Leben spüren, wo ich getragen bin / getragen werde. Und wenn es der rechte Zeitpunkt ist, dann muss „man doch ein Fest feiern und sich freuen“ an dieser unverdienten Liebe – nicht nur am Sonntag Laetare.

Zur Autorin

Felicitas Hecker ist Gemeindereferentin in Bad Sassendorf.

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