11.10.2018

Briefe aus anderer Zeit

So erzählt es die Legende: Der greise Ignatius fällt im Kolosseum den Löwen zum Opfer. Foto: KNA

Man kann dem Thema dieser Tage irgendwie nicht ausweichen. Auch in diesem Artikel tauchen auf einmal die Rolle der Kinder und die Macht der Bischöfe auf, obwohl das nicht geplant war. Aber nun gut. Auf der Suche nach einem Heiligen in der kommenden Woche bleibt das Auge an einem Wort hängen, das man vor allem bzw. nur aus der Allerheiligenlitanei kennt: Antio­chien. Wo liegt das eigentlich?

von Claudia Auffenberg

Es ist eine Stadt im antiken Syrien, heute heißt sie Antakya und gehört zur Türkei. Der heilige Ignatius war Bischof dieser Stadt, wann genau, ist unklar. Irgendwann im zweiten Jahrhundert. Man muss sich die Situation der Christen damals vor Augen führen, um sich vom Denken des Ignatius nicht allzu sehr erschrecken zu lassen. Es gab noch keine katholische Kirche mit dem Lehrgebäude und den Strukturen, wie man sie heute kennt. Das alles war noch im Entstehen und entstanden ist vieles in Auseinandersetzungen mit anderen Sichtweisen und Lehren. Meinungen bilden sich eben oft im Konflikt, wenn man Position zu beziehen hat, wenn man aufgefordert ist, darüber nachzudenken, wie man selbst die Dinge sieht.

Im zweiten Jahrhundert also waren die Christen eine kleine geschmähte und organisatorisch instabile Minderheit. Dieses Grüppchen versuchte Ignatius gewissermaßen von innen her zu festigen, indem er eine klare Struktur predigte. Er tat dies in sieben Briefen, die er, so die Legende, auf einer mehrmonatigen Reise von Antiochien nach Rom abgefasst haben soll. Die Reise war eine Fahrt in den Tod, Kaiser Trajan soll ihn in die Hauptstadt verschifft haben, wo er dann im Kolosseum von den Löwen zerrissen worden ist. Das alles ist historisch mehr als unsicher, aber immerhin die sieben Briefe gelten als echt und geben einen Einblick in das Leben der jungen Kirche.

Darin fordert nun Ignatius eine hierarchische Ordnung der Kirche mit den drei Ämtern – Bischof, Priester, Diakon – und entsprechend von den Laien Gehorsam gegenüber dem Bischof: „Es ist klar, dass man den Bischof wie den Herrn ansehen muss.“ Nur noch mal zur Erinnerung: Es waren andere Zeiten! Allerdings, und das ist eben dann doch wieder aktuell: Die Frage, auf die Ignatius hier antwortete, lautete: Wie kann die Kirche als Gemeinschaft in dieser Zeit überleben? Diese Frage stellt sich eben gerade wieder und zwar mit existenzieller Wucht. Was würde Igna­tius heute wohl dazu sagen? Was würde er überhaupt zu alldem sagen, er, von dem eine andere Legende erzählt, er sei das Kind gewesen, das Jesus einst in die Mitte der Apos­tel gestellt und gesagt habe: „Wenn ihr nicht werdet wie dieses Kind, werdet ihr nicht in das Himmelreich eingehen.“

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