17.01.2018

Riesiges Loch

Ein Bagger reißt die Kirche ab. Demonstranten haben Blumen am Bauzaun befestigt. Die Seele des Dorfes stirbt. Foto: kna

Lange konnte man in Ostwestfalen das Gefühl haben, dass einen der Braunkohletageabbau Garzweiler am anderen Ende von NRW nicht betrifft. Man weiß ja nicht einmal genau, wo das überhaupt ist, kilometermäßig jedenfalls und gefühlt noch weiter weg.

von Claudia Auffenberg

Sicher, die Bilder von den riesigen Abbaugebieten sind bekannt, sie waren auch im DOM abgebildet. Und Geschichten von Menschen, die wegziehen mussten, hat man auch schon mal mit einer gewissen Betroffenheit gelesen. Aber jetzt, erst jetzt, schreit einen das eigene Gewissen an: Was macht ihr da??? Denn Anfang vergangener Woche, am 8. Januar, fiel eine prachtvolle Kirche: der sogenannte Immerather Dom, einst Wahrzeichen der Region. Zuletzt hatten sich noch die Leute von Greenpeace dort angekettet und den Abriss mindestens zu verzögern versucht.

Dann also hört man diese innere Stimme: Mensch, wie gehst du eigentlich mit dieser Welt um? Darfst du das? Bist du dir sicher, dass ihr auf dem richtigen Weg seid? Ein Haus abzureißen, das uns den Himmel offen halten will, um in der Erde zu graben? Ein Gebäude dem Erdboden gleichzumachen, das uns auf die Kraft der Höhe hinweisen will? Und das, weil der Mensch Energie braucht. Aber bitte: Von welcher Energie lebt der Mensch eigentlich? Da läuft doch was falsch!

In Garzweiler entsteht das größte künstliche Loch Europas. Irgendwann wird es ein See sein und vielleicht wieder sehr schön werden, wenn die Fische und die Vögel und die Insekten wieder da sind. Und doch: Wenn Menschen ihre Häuser verlassen müssen, wenn Dörfer, Felder und Bäume weggebuddelt, wenn sogar Friedhöfe umgebettet und Kirchen abgerissen werden, dann entsteht noch ein ganz anderes Loch in Europa. Es ist ein Loch, das man nicht sieht, in das man aber doch reinzufallen droht. Sogar in Ostwestfalen noch.

Lesen Sie hier den Beitrag „Das ist wie eine Beerdigung“.

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