Die vierte Nachtwache

Gedanken zu Mt 14,22-33

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Die frühen Morgenstunden sind eine heikle Zeit, da kommen die Dämonen in einem hoch. Andererseits beginnen dann auch die Vögel zu singen.Foto: buntbarsch/photocase
veröffentlicht am 10.08.2017
Lesezeit: ungefähr 3 Minuten

Beim Erwachen der Dämonen vor Tagesanbruch braucht’s die rettende Hand: im Glauben wie im Leben.

von Monika Krieg

4.45 Uhr. Eine ganz normale Nachtschicht in der Telefonseelsorge. Das Telefon schellt, der fünfte Anruf in dieser Nacht. Die diensthabende Mitarbeiterin schreckt auf. Eigentlich hatte sie gar nicht mit einem weiteren Anruf gerechnet.

Nach dem Aufnehmen des Hörers eine laute, fast schreiende Stimme. Erst beim zweiten Hören ist zu erkennen, dass es sich um eine Anruferin handelt. „Ich halte das nicht mehr aus! Ich weiß nicht mehr, wie es weitergehen soll.“ Immer wieder von Weinen unterbrochen, wechselnd zwischen laut und leise, unruhig und drängend erzählt die Anruferin von ihrer aktuellen Situation: dem Verlust ihrer Gesundheit, den finanziellen Engpässen, dem drohenden Verlust ihrer Wohnung („Ich kann sie bald nicht mehr bezahlen!“), der Abkehr von Verwandten und Freunden, ihren Vorwürfen gegenüber allen und allem. „Alles ist gegen mich! Ich fühle mich, als hätte ich keinen Boden mehr unter den Füßen.“ Und schließlich die tiefe Überzeugung: „Ich gehe unter!“

Eine Stunde später legt die Anruferin auf – zwar noch schluchzend, aber dennoch etwas zuversichtlicher. Die Mitarbeiterin der Telefonseelsorge ist erleichtert. Sie hat der Ratsuchenden über die Zeit kurz vor Tagesanbruch, in der so oft die inneren Dämonen erwachen und im Gedankenkarussell unterwegs sind, hinweggeholfen.

Wenn man die Seelsorgerin fragen würde, was sie genau dazu beigetragen hat, dass diese Wirkung eintreten konnte, würde ihr vielleicht gar keine eindeutige Antwort einfallen. Waren es ihre Gesprächsfertigkeiten? Ihre eigene Überzeugung, dass alles gut wird? Die Zuwendung, die sie geschenkt hat? Die Geduld, die sie aufgebracht hat, als die Anruferin ihre Bedenken immer und immer wiederholte?

Im Evangelium dieses Sonntags lesen wir von Angst und Schutzlosigkeit der Jünger bei der stürmischen Nachtfahrt auf dem See. (Gegen)Wind und Wellen werfen sie hin und her. Sie wissen: Wir haben keinen stabilen Boden unter den Füßen. Und dann begegnet ihnen auch noch ein Unbekannter, den sie für einen Geist halten. Und dann die Wende: Sie hören eine Stimme, eine beruhigende Stimme: „Habt Vertrauen, fürchtet euch nicht.“ Und eine verlässliche Hand, die sich Petrus entgegenstreckt, als er Angst vor seiner eigenen Courage bekommt.

Ängste und Sorgen haben in der vierten Nachtwache Hochkonjunktur. Kurz vor Tagesanbruch, wenn der erste Tiefschlaf vorbei ist, suchen sie uns heim. Und sind kaum zu stoppen. Diese Erfahrung kennen viele Menschen. Sie auch? Und wissen Sie auch, wie Sie diesen Quälgeistern beikommen und sie in ihre Schranken weisen können?

Die Anruferin bei der Telefonseelsorge hat einen Ausweg gefunden. Sie hat sich mit ihrer Not einem anderen, wenn auch unbekannten Menschen anvertraut und zugemutet. Und sie hörte eine Stimme, jemand, der ihre Angst ernst nahm und gerade dadurch Beruhigung auslöste. Sie weiß zwar, dass sie immer noch schwer hin und her geworfen wird von den Wellen ihres Lebensschiffes. Aber sie spürt auch: Der Wind hat sich – wenn auch vielleicht nur für ein paar Momente – gelegt.

Zur Autorin:

Diplom-Theologin Monika Krieg ist Leiterin der Telefonseelsorge Paderborn.

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