13.04.2017

Suche nach dem Lebendigen

Foto: REHvolution.de/photocase

Ostern bedeutet: Im Glauben an den auferstandenen Herrn erfüllt sich unsere Suche und Sehnsucht nach dem wahren Leben.

von Katharina Hartleib

Dieses wundervolle Oster­evangelium braucht keine Erklärung. Jeder kann es verstehen. Und doch ist dieser Bericht von Johannes ein Paradebeispiel für die verschiedenen Sichtweisen auf ein und dieselbe Sache. Und von daher spannend. Maria von Magdala kommt in der Dunkelheit des Ostermorgens voller Trauer, Trostlosigkeit, Schmerz und Sehnsucht zum Grab. Und sie sieht, dass der Stein weggenommen ist. Und so eilt sie zu Petrus und Johannes, um ihnen das Ungeheuerliche mitzuteilen und ihre Sorge: „Man hat den Herrn aus dem Grab weggenommen und wir wissen nicht, wohin man ihn gelegt hat.“

Die beiden rennen sofort kopflos dorthin, wo auch ihre Hoffnungen der letzten drei Jahre zu Grabe getragen worden waren. Sie wollen sehen und überprüfen, ob das stimmt, was ihnen da berichtet worden ist. Und Maria? Diejenige, die ihnen Bescheid gegeben und die ihre Sorge formuliert hatte? Sie lassen sie einfach stehen. Kümmern sich überhaupt nicht um sie. Die beiden Apostel ignorieren diejenige, die den Herrn wirklich sucht.

Am Grab angekommen beugen sie sich hinein, sehen die geordnete Realität der Tücher und Leinenbinden. Sie sehen die Fakten: Das Grab ist leer, die Tücher und Leinenbinden liegen ordentlich gefaltet da. Jesus aber sehen sie nicht. Sie gehen nach Hause und glauben. So steht es zumindest in diesem Evangelium. Sie benennen nicht, was sie glauben. Sie stellen keine Fragen, klären nichts. Wir wissen nicht, was sie glauben oder vermuten oder spekulieren oder nur ängstlich beteuern.

Und wieder lassen sie Maria, die ihnen zum Grab gefolgt ist, allein stehen. Sie würdigen sie keines Blickes, keines Wortes, keines Trostes. Sie sind mit sich selbst beschäftigt. Maria steht draußen vor dem Grab und weint. Wer weint, zeigt sich, wie er vor Gott ist. Sie schämt sich ihrer Tränen nicht. Es kann sein, dass die Apostel auch geweint haben. Aber sie zeigen es nicht.

Dann beugt sich Maria ins Grab und sieht die Boten Gottes, die Engel, die dort sitzen. Die Apostel haben keine Engel gesehen, weil sie vor ihrer eigenen Angst weggerannt sind. Maria sieht die Boten Gottes, weil sie sich zeigt, wie sie ist: traurig, weinend, ohnmächtig. Und sie wird nach ihrer Not gefragt: „Warum weinst du?“ Und hier kann sie wieder ihre Not offenbaren: „Man hat meinen Herrn weggenommen …“

Dann wendet sie sich um und dem Auferstandenen, dem Lebendigen, zu, auch wenn sie ihn nicht erkennt. Und sie wird auch von ihm gefragt: „Warum weinst du? Wen suchst du?“ Und wieder erklärt sie ihre Not, Sorge und Angst. Erst dann lässt sich der Auferstandene erkennen, nennt Maria beim Namen und sendet sie als Botin zu seinen Jüngern. Jetzt erst verlässt sie den Garten und das leere Grab und geht zu den Jüngern und gibt das umwerfendste Zeugnis der Weltgeschichte: „Ich habe den Herrn gesehen.“ Und sie richtet den Jüngern aus, was er ihr gesagt hat.

Ich kann den unglaublichen und selbstbewussten Jubel der Maria Magdalena förmlich hören. Dieses „Ich habe den Herrn gesehen“ und das Ausrichten der Botschaft, die Jesus ihr allein gesagt hat. Von dieser Botschaft her versteht sich auch der Titel, den Maria von Magdala trägt: „Apostolin der Apostel“.

Für mich sagt dieser Osterbericht: Es geht nicht um Fakten, es geht nicht um gefaltete Tücher, geordnete Leinenbinden und nicht um eilfertige, angstvolle Versicherung des Glaubens. Hier geht es darum, dass ich mit all der Angst und Sehnsucht meines Lebens, mit allen Tränen und Trostlosigkeiten meiner Schuld und allen Widerwärtigkeiten meines Daseins kommen kann. Und dass der Auferstandene meine Sehnsucht spürt, Not und Sorge erfragt, mich beim Namen nennt und mich sendet, um allen, die in der gleichen oder ähnlichen Lage sind, zu sagen: „Ich, der Herr, bin auferstanden. Für dich!“

Johannes Chrysostomus sagt: „Wenn wir alle Geschichten der Bibel vergessen würden, aber die von Maria von Magdala behalten, reicht es aus, um ein Leben lang zu glauben.“

Zur Autorin: Schwester Katharina Hartleib ist Olper Franziskanerin und geistliche Begleiterin im Konvent San Damiano in Olpe.

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