02.12.2016

Wachsamkeit in den Wüsten unserer Tage

Die Zeichen sind eindeutig, aber der Eindruck ist ein anderer: Hier geht es nicht weiter. Foto: birdys/photocase.de

Der Umkehrruf des Johannes des Täufers ist auch heute auf mancherlei Weise zu hören.

von Monika Lipsewers

Mit dem heutigen Evangelium werden wir intensiver in die Bedeutung des Advents geführt. Diese Zeit, die für uns mit vielerlei Brauchtum verbunden ist, kennen viele nicht mehr als eine Zeit der Vorbereitung auf das Fest der Menschwerdung Jesu, sondern erleben sie wie ein vierwöchiges Fest mit allerlei gutem Gebäck, Getränken und einlullender Musik.

Ganz anders ist da das Evangelium: Es stellt uns Johannes den Täufer als einen Menschen ganz anderer Prägung vor Augen. Nüchtern und radikal (im Sinne des „An-die-Wurzel-gehens“) ruft er zur Umkehr auf. Er will aufwecken, vorbereiten. Und das lebt er vor: durch das einfache Gewand aus Kamelhaar und die spartanische Ernährung. Er muss eine beeindruckende Persönlichkeit gewesen sein, dass die Menschen seiner Predigt Taten folgen ließen.

Horchen wir heute auf, wenn unter den Mitmenschen jemand zur Wachsamkeit und Umkehr aufruft? Umdenken äußert sich in unserer Welt heute anders als damals. Die Bewegung aber ist die gleiche: eine Kehrtwende. Da gibt es nicht wenige, die aufmerksam machen auf die Zerstörung der Umwelt, auf Bedrohungen von Menschenleben, auf Vergehen am ungeborenen oder sterbenden Leben. Das sind noch sichtbare, greifbare, lebensnahe Aspekte, deren Folgen unmittelbar zu spüren oder in der näheren Umgebung erlebbar sind. Umkehr kann heißen, aufmerksam schädliches Verhalten zu meiden oder den Medienkonsum kritisch zu durchleuchten. Auf vielerlei Weise könnten wir aus dem „Schlaf der Sicherheit“ geweckt werden, wenn wir nur sensibel dafür wären. Diese Neuorientierung soll nicht ein Selbstzweck sein, sondern will immer auf die Mitte des Menschen zielen: auf Gott selbst. Seinen Vorrang vor allem in unserem Leben können wir neu einüben und so ihm Wege in unser Inneres ebnen.

Haben wir aber noch ein Ohr, wenn Gott selbst um uns wirbt? Ein Ohr für einen lebendigen Glauben? Oder ist da in unserem Leben einfach nur Wüste, verbrannte Erde, ausgetrockneter Boden, auf dem früher einmal die Frucht des Glaubens gedieh?

Ein „Rufer in der Wüste“ könnte das Lebenszeugnis eines asketisch lebenden Menschen sein. Ein Mensch, der bereit ist, entschieden mit einfachen Mitteln zu leben, lässt aufhorchen. Vielleicht kann dieser „Johannes im Gewand aus Kamelhaar“ unserer Tage auch durch ein gutes Buch zu mir sprechen, das zur Umkehr, d. h. zur Hinwendung zu Gott führt.

In den Wüsten unserer Tage gibt es auch lautlose Mahner: Einsame im Menschenmeer einer Großstadt, ungerecht entlohnte Leiharbeiter in Industriebetrieben, unheilbar Kranke, Fremde auf der Suche nach einer neuen Heimat, Bettler in den Einkaufsstraßen. Auch durch diese Menschen kann Gott zur Umkehr rufen, damit wir sein Kommen in unsere Welt entdecken und ihm den Weg ebnen, sodass andere ein Heilwerden spüren (ich selbst nicht ausgenommen). Wir dürfen erfinderisch sein, wo wir uns durch Gott anregen lassen im Kleinklein des täglichen Lebens.

Und dann entdecke ich neu, wie ich dem nahenden Gott – über Taten hinaus – Wege in mein inneres Leben ebnen kann: durch das tägliche Gebet am Morgen und am Abend, durch das Tischgebet (auch in nicht christlicher Umgebung), durch stille Zeiten im Trubel vorweihnachtlicher Geschäftigkeit, durch eine lebendige Mitfeier der Eucharistie, durch ein stummes Zeichen der Zuwendung zu bedürftigen Menschen. Das sind einige der Früchte, die den Willen zur Umkehr zeigen. Gott wird mich erkennen – und ich ihn. Und einige Zeit geübt, könnten diese Auf- merksamkeiten für uns zum Habitus, zu einer Grundhaltung werden.

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