04.11.2016

Wie ist so etwas möglich?

Bosseborn: Eine Rose im Sichtschutz des Tatorts. Foto: dpa

Der Kreis Höxter gehört zu den Regionen Deutschlands, deren Dörfer in den Medien gern mit „beschaulich“ tituliert werden. Da ist nix los, soll das wohl heißen, da fährt höchstens mal ein Trecker durchs Bild. Die Menschen, die dort leben, wissen es besser. Aber was auch sie nicht wussten, beschäftigt in diesen Wochen die Öffentlichkeit in OWL: In Bosseborn, einem jener „beschaulichen Dörfer“ im Kreis Höxter, ist ein monströses Verbrechen geschehen.

von Claudia Auffenberg

Ein Mann und eine Frau, inzwischen bundesweit bekannt als das „Horrorpaar“, haben in den letzten Jahren alleinstehende Frauen in ihr Haus gelockt und auf unbegreifliche Weise gequält. Mindestens zwei Frauen haben nicht überlebt, derzeit steht das Paar vor Gericht.

Warum geschehen solche Dinge? Warum ist der Mensch, der doch Abbild Gottes ist, zu so etwas fähig? Dass man im Affekt mal zuschlägt oder ausrastet, meinetwegen, aber so etwas? Mit diesen Fragen und voller Ratlosigkeit geht man zu Prof. Dr. Christoph Jacobs. Er ist Priester und Psychologe an der Theologischen Fakultät in Paderborn. Er müsste doch etwas erklären können.

Um es gleich zu sagen: Der Psychologe Jacobs kann erklären, der Priester, der Christ, der Mensch Jacobs nicht. Er legt ein Bild auf den Tisch, eine CT-Aufnahme des menschlichen Schädels. „Hier“, sagt er und zeigt auf die Stelle hinter den Augen im Zentrum des Kopfes, „befindet sich das Zentrum für Aggression und Sexualität.“ Es liegt gut geschützt und stirbt als letztes, ist also anscheinend ziemlich wichtig. Ja, sagt Jacobs, es dient der Arterhaltung. Die Fähigkeit zur Aggression ist nicht von Haus aus schlecht, im Gegenteil. Uns alle gibt es vermutlich nur, weil der Homo sapiens einst andere Menschenrassen, die schwächer waren, ausrottete. Das heißt: Jeder von uns trägt noch immer die Anlage zur Gewalt in sich. Doch wie kommt sie zum Ausbruch?

Natürlich weiß man als Zeitungsleser immer zu wenig über solche Ereignisse wie in Bosseborn und auch Jacobs ist hier nur Zeitungsleser, aber ganz allgemein kann er sagen: „Das Böse ist immer das Ergebnis einer Geschichte. Da muss schon eine Menge schief­gehen.“ mlich: Gewalt in Familien, religiöser Fanatismus und andere Ideologien, Autoritarismus, Krieg. Und dann kommen konkret auslösende Faktoren hinzu: Frustration, Kränkung des Selbstwertgefühls, Unfähigkeit zum Mitgefühl und Sadismus, die Freude an der Gewalt. Letzteres kann das Ergebnis einer dramatischen Krise sein, die der Körper durch die Ausschüttung von Endorphinen zu regeln versucht.

Hat der Schöpfer das gewollt? Prof. Jacobs antwortet überraschend: Es sei doch erstaunlich, dass das Gutsein sich ingesamt durchgesetzt hat und letztlich von den allermeisten angestrebt wird. Und wenn das Böse eine Geschichte hat und braucht, dann kann man diese beeinflussen. Gibt es also die Möglichkeit, das Böse klein zuhalten und das Gute zu stärken? Ja, sagt Prof. Jacobs, eigentlich sei das ganz einfach: „Die Goldene Regel einüben und vorleben. Das ist der Weg.“

(Mehr dazu im nächsten Dom Nr. 45.)

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