14.10.2016

Die große Kunst der Harmonie

Pfarrer Hans Gerd Westermann, Orgelbauer Dr. Bernard Aubertin und Dekanatskirchenmusiker Ralf Borghoff vor der neuen Orgel. Foto: Körtling

Erwitte. Geschäftiges Treiben herrscht derzeit in der St.-Laurentius-Kirche von Erwitte: Die neue Orgel aus der Meisterwerkstatt von Dr. Bernard Aubertin wird gerade eingebaut. Dieses Projekt hatte viel Vorlaufzeit, doch jetzt geht alles rasend schnell – dank der präzisen Vorarbeit in Frankreich.

von Peter Körtling

Die wunderschöne „Königin der Instrumente“, die gegenüber dem Altar entsteht, wird in rasender Zeit wie ein Bausatz errichtet. Für die kurze Aufbauzeit ist ein Meister verantwortlich, der weltweit einen hervorragenden Ruf genießt: Orgelbauer Dr. Bernard Aubertin. Wer diesen Meister bei der Arbeit beobachtet, meint, nur einen Handwerker zu sehen, der völlig in seiner Arbeit aufgeht. Das stimmt auch, denn der Franzose macht kein Aufheben um seine Person – nur sein Werk zählt. Keine seiner vielen anderen Ehrungen stellt er zur Schau: So wurde Aubertin von der schottischen Universität Aberdeen im Jahr 2006 für die hervorragende Orgel, die er im Kings College erbaut hat, die Ehrendoktorwürde als erstem ausländischen Künstler überhaupt verliehen. Ob in Dänemark, Japan oder am St. Johns College in Oxford – überall ist Aubertin für seine Orgeln berühmt. Er unterrichtet Orgelbau in Straßburg und wurde mit dem Titel „Maître d’Art“, der höchsten Auszeichnung, die der französische Staat an lebende Künstler vergibt, durch das Ministerium für Kultur geehrt.

Die Werkstatt des Meisters befindet sich in der kleinen Ortschaft Courtefontaine, im ostfranzösischen Departement Jura. Dort sitzt das Unternehmen in einer Klosteranlage aus dem 12. Jahrhundert. Aubertin hatte die Anlage umfassend restauriert, wofür er ebenfalls einen Preis erhielt. Dieses Kloster bietet für die Orgelwerkstatt ideale Bedingungen, wie der Orgelbauer verrät: Der Spross einer Möbeltischlerfamilie von der Mosel hat zum einen ausreichend Platz. Das ist besonders wichtig, da er mit seinen zwölf Mitarbeitern die kompletten Orgeln in traditioneller Art fertigt. Die wohlproportionierten Instrumente werden von Hand gefertigt und zeigen oft eine elegante Ornamentik und dezente Vergoldung. In einer hohen Halle des Priorats werden die Orgeln zudem einmal komplett aufgebaut und abgestimmt. Dadurch geht der Aufbau am Bestimmungsort der Instrumente unheimlich schnell von statten.

Der Hauptaufbau hat gerade einmal eine Woche gedauert, das muss man sich einmal überlegen“, gibt Dekanatskirchenmusiker Ralf Borghoff zu Bedenken. Diese Präzision am Instrument selbst sei aber nur ein Teil der Arbeit, erklärt Aubertin. Der Zauber seiner In­strumente liege auch darin, dass sie sich in perfekter Harmonie in den Raum einfügten. Als die Planungen begannen, hatten die Architekten dem Orgelbauer Grundrisse der Kirche mit Metermaßen zukommen lassen. „Damit konnte ich nichts anfangen“, sagt Aubertin. Was er meint, zeigt er auf seinen Arbeitsplänen in der Kirche: Um die Harmonielehre der frühen Baumeister nachvollziehen zu können, hat er alle Maße auf die alte Einheit „Fuß“ umgerechnet. Nachdem er das gemacht hat, konnte er die Planung der 1160 bis 1170 erbauten Kirche durch und durch nachvollziehen: Pythagoras, Goldener Schnitt und Fibonacci-Folge geben das ganze Maß frühmittelalterlicher Harmonielehre in der Baukunst wieder. Vollkommen begeistert geht Aubertin durch den Plan, erläutert die immer wiederkehrenden Muster und Anordnungen und erklärt, wie er anhand dieser Erkenntnisse die Orgel plante. Mit einfachsten Hilfsmitteln wie einem Stück Papier erklärt er uralte, der Natur abgeschaute Gesetzmäßigkeiten und deren Übertragung auf das Instrument.

Das hoch aufragende, sich stilistisch perfekt einfügende Instrument ist zwar noch mit einem Baugerüst umgeben, doch freuen sich Pfarrer Hans Gerd Westermann und Borg­hoff schon auf die anstehenden Orgelkonzerte: Am Freitag, 21. Oktober, findet um 18.00 Uhr die festliche Einweihung der Orgel durch den emeritierten Abt Stephan Schröder aus dem Benediktinerkloster Meschede statt. Um 20.00 Uhr schließt sich das Weihekonzert mit Professor Stefan Schmidt, Domorganist in Würzburg, an. Am Samstag, 22. Oktober, bietet Aubertin selbst um 15.00 Uhr eine Orgelvorführung, worauf um 19.30 Uhr ein Improvisationskonzert mit Prof. Wolfgang Seifen aus Berlin folgt. Am Sonntag, 23. Oktober, lädt Borghoff um 11.30 Uhr, nach dem Festhochamt, zur Orgelführung besonders Kinder, Jugendliche und junge Familien ein. Um 16.30 Uhr spielt Dr. Christian Vorbeck aus Witten ein Konzert.

0 Kommentare
Inline Feedbacks
Alle Kommentare anschauen