18.03.2016

Mensch und Weltkirche

„Seht, da ist der Mensch“, lautet das Leitwort des bevorstehenden Katholikentages in Leipzig. Ein Bibelwort, das in dieser Woche in den Kirchen zu hören sein wird.

Am Karfreitag nämlich wird die Johannes-Passion verkündet, dieses große Stück Weltliteratur, in dessen Mittelpunkt das Verhör Jesu durch Pilatus steht. Wie ein Getriebener tigert Pilatus hin- und her, mal nach draußen, wo eine Art Pegida-Demo stattfindet und eine aufgeheizte Menge den Tod Jesu fordert. Dann geht er wieder hinein und fleht Jesus geradezu an, er möge irgendetwas sagen, das zu seiner Entlastung beitragen möchte. Einer der Versuche, mit denen er die Verurteilung Jesu umgehen möchte, ist, den Mann aus Nazareth zu entzaubern. Er lässt ihn foltern und wie eine Königskarikatur verkleidet vorführen. Und dann fällt dieser Satz: „Seht, da ist der Mensch“, sagt Pilatus. Ein merkwürdiger Satz, zumindest an dieser Stelle. Irgendwie hätte man sich auch einen anderen Text für Pilatus vorstellen können. Etwas Spöttisches zum Beispiel. So aber schimmert – jedenfalls nach heutigem Sprachempfinden – etwas Bewunderndes oder Hinweisendes durch: Seht, er ist ein Mensch, kein Monster, keine Gefahr, sondern bzw. in jedem Fall: ein Mensch.

Das Menschsein ist für Christen das einzige Kriterium überhaupt, das sie anlegen können, wenn sie über den Umgang mit diesem Werk der Schöpfung zu befinden haben. Unser Nachbarbischof, Gerhard Feige aus Magedburg, hat es in einem Interview jetzt so formuliert: „Christentum und Fremdenfeindlichkeit passen überhaupt nicht zusammen, das schließt sich aus. Aber vielleicht hängt eine solche Einstellung damit zusammen, dass vor allem Katholiken sehr traditionsbewusst sind. Dass für sie Kirche weitgehend das ist, was sie in ihrer Kindheit wohlbehütet erlebt haben. Eine geschlossene und angeblich heile Welt, wozu eben auch keine Muslime gehörten, vielleicht auch keine Ausländer. Und dass sie eigentlich gar nicht mitbekommen haben, dass wir als Katholiken eine Weltkirche sind, dass Menschen aus allen Völkern und Nationen dazugehören und dass auch unser Sendungsauftrag darin besteht, zu allen Menschen zu gehen. Katholisch heißt nicht eng und kleinkariert, sondern wirklich weltoffen zu sein. Wir sind eine Weltkirche und kein Heimatverein.“

 

Claudia Auffenberg

 

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