26.02.2016

Sehen und Erkennen

Aus urheberrechtlichen Gründen können wir die Zeichnung von Monika Bartholomé hier nicht zeigen. Sie finden sie in der Printausgabe des DOM auf Seite 18 oder im Gotteslob auf Seite 709. Foto: Auffenberg

Die Zeichnung von Monika Bartholomé im Gotteslob auf S. 709, also unter der Nummer 602, Ziffer 8, ist trügerisch eindeutig. Man sieht – ist doch klar – zwei Boote, die wahrscheinlich im nächsten Moment zusammenstoßen werden.

Wie kommt man darauf, dass es Boote sind? Weil man Boote kennt und die sehen so aus. Ungefähr jedenfalls. Also, in Wirklichkeit natürlich doch anders. Und es könnte auch ein Vorhang sein oder ein aufgeschlagenes Buch, aber von den Motiven, die man im Laufe seines Lebens abgespeichert hat, eignet sich das Boot am besten, um die Zeichnung zu entschlüsseln.

Ist das womöglich etwas voreilig? Wenn man nämlich genau hinschaut, sieht man, dass das linke Objekt unten vier Linien, also vermeintlich drei Planken, und oben nur drei Linien, also zwei Planken hat. Beim rechten Objekt fehlt die Rückseite, es ist offen und das nicht nur, weil da die Gotteslobseite zu Ende ist und man eben nicht über das Blatt hinaus drucken kann.

Die Zeichnung offenbart diesen ewigen Zwiespalt zwischen Sehen und Erkennen, der das Leben manchmal so anstrengend macht. Erkennt man immer, was man sieht? Sieht man immer, was man zu erkennen glaubt? Nein! Wenn es so wäre, dann wäre nicht nur das Leben, sondern erst recht das Glauben eine einfache Sache. Na ja, ehrlich gesagt: hätte sich der Glaube damit ziemlich erledigt. Denn es ist ja gerade eine Art Markenzeichen unseres Gottes, dass man ihn nicht sehen kann, dass es allenfalls Spuren gibt, die man aber erstmal sehen und dann auch noch als solche erkennen muss.

Nun hat der Mensch – zu seinem Glück, muss man wohl sagen – nicht nur Augen im Kopf, sondern im übertragenden Sinne auch im Herzen und mit denen sieht man bekanntlich die wesentlichen Dinge des Lebens.

Die Zeichnung findet sich auf den Seiten, in denen es textlich um Feiern mit Kranken geht. Eine Erkrankung kann eine Zeit sein, in der Sehen und Erkennen fast gegensätzlich sind. Äußerlich zu sehen können sein: ein geschwächter Mensch im Bett, Narben, Verbandsmaterial, Tabletten, medizinisches Gerät, Ärzte, allesamt Dinge, die Hilflosigkeit, Schwäche, Angst, Schmerzen ausstrahlen.

Aber die Wahrheit ist vielleicht eine ganz andere. Vielleicht hat man in Wahrheit einen Menschen vor sich, der dem Leben, der Gott nie näher war als in dieser Situation.

Claudia Auffenberg

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