13.12.2019

Wo ist der gütige Gott geblieben?

Sprach in der Montagsakademie: Dr. Eugen Drewermann.

Paderborn. Es sollte, so hatte es Professor Dr. Stefan Kopp in seiner Begrüßung gesagt, „keine Sensation“ sein, doch die Rückkehr von Dr. Eugen Drewermann an seine frühere Wirkungsstätte, die Theologische Fakultät, im Rahmen der diesjährigen Montagsakademie hatte schon bei ihrer Ankündigung für reichlich Reaktionen gesorgt. Entsprechend groß war das Interesse: Rund 400 Zuhörerinnen und Zuhörer kamen zu Drewermanns Vortrag über die „Macht und Ohnmacht Jesu“.

von Andreas Wiedenhaus

Was ist übrig von dem, was Jesus zu Lebzeiten verkündete? Was hat das, was in der Kirche heute gelebt und verkündet wird, mit dem Gottesbild zu tun, das Jesus den Menschen seiner Zeit zu vermitteln suchte? Nicht viel – jedenfalls nach Drewermanns Meinung: Das Bild des gütigen und geduldigen Gottes, der Schutz gewährt „ohne Ansehen der Person“, ist für ihn kaum noch sichtbar.

Wobei der Paderborner keinen Zweifel daran aufkommen lässt, wer seiner Meinung nach einen Gutteil der Verantwortung daran trägt: die Kirche mit ihren Machtstrukturen und -mechanismen. Der Zustand des „wertfreien“ Angenommenseins sei heute der Frage nach einem materiell messbaren Wert gewichen.

Ein Zustand, der sich nach Drewermanns Meinung in dem Gefühl des Nichtgewolltseins und Nichtgenügens widerspiegele, das heute das Leben vieler Menschen bestimme. Dieser führe letztlich zur Unfreiheit: Er komme zum Ausdruck in einer beständigen Suche nach Selbstoptimierung, in dem Wunsch nach Anerkennung, die es sich zu „verdienen“ gelte.

Wer dem erliege und sein Dasein auf die Erfüllung der gesellschaftlichen Normen und Erwartungen konzentriere, werde durch solches Bemühen und „Verbiegen“ krank an Leib und Seele. Für Drewermann ist Glaube „nicht etwas, um in indoktrinärer Pose etwas Richtiges zu verkünden, sondern er ist eine Existenzmitteilung von Person zu Person“.

So sei Jesu Hoffnung, „dass es weitergeht bei denen, die es begriffen hatten“, nur bedingt erfüllt worden. Das Schlusswort des Vortrages brachte es auf den Punkt: „Wenn wir doch nur leben könnten von einer Liebe, die wir nicht verdient haben, könnten wir glücklich sein, davon so viel zum Leuchten zu bringen bei den Menschen, die sie bisher nicht glauben konnten, aber immer danach gesucht haben.“

Ein Leben in „Unfreiheit“ – das sieht Drewermann auch als einen Grund für die Missbrauchsfälle in der Kirche, wie sich im anschließenden Gespräch mit Moderator Joachim Frank zeigt. So seien schuldig gewordene Priester auch Opfer, die man „mit der Sanftmut Jesu“ begleiten müsse.

Wenig optimistisch zeigt sich der Kirchenkritiker auch beim Blick auf den Synodalen Weg. Die Hoffnungen, die von vielen Seiten darin gesetzt würden, verstehe er wohl, so Drewermann, doch dieser Weg sei eigentlich gar keiner. Seine Frage: „Was warten wir auf Synoden, anstatt dem Leben zu erlauben, dass es menschlich wird?“

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