18.07.2018

Wie es zu „Humanae vitae“ kam

Papst Paul VI. an seinem Schreibtisch im Vatikan: die schwerste Entscheidung seines Pontifikats. Foto: KNA

Die Zeitenwende kam in den USA 1960, in Europa 1962: Der Pharmakonzern Pincas brachte ein Medikament auf den Markt, das mittels freigesetzter Hormone den weiblichen Eisprung verhindert und damit eine Schwangerschaft unmöglich machte.

von Susanne Haverkamp

Die „Pille“, wie sie hierzulande seitdem genannt wird, setzt sich schnell durch: endlich eine recht sichere und für viele Frauen auch recht gut verträgliche Möglichkeit, ungewollte Schwangerschaften zu verhindern. Auch und gerade in der Ehe. Was bedeutete das für katholische Eheleute? Das war zunächst nicht klar. Zwar hatte Papst Pius XI. 1930 in der Enzyklika „Casti Conubi“ jede gezielte Unfruchtbarmachung des ehelichen Aktes als „widernatürlich, schändlich und innerlich unsittlich“ verurteilt. Ob das aber auch für diese neue Pille galt, war unklar.

Daher setzte Papst Johannes XXIII. 1963 eine Kommission ein – und die war eine Mischung aus Priestern und Laien. Im Kern ging es ihr um eine Frage: Gilt die Offenheit der Eheleute für eine Schwangerschaft nur prinzipiell für die Ehe („Grundsätzlich wollen wir Kinder …“) oder gilt sie für jedes einzelne Mal, in dem die Eheleute Sex haben? Papst Paul VI. übernahm die Kommission nicht nur, er baute sie aus und berief auch drei Ehepaare. Und er sagte in einer Ansprache an Kardinäle, dass deren Zuständigkeit an erster Stelle steht und sie deshalb den ersten Rang einnehmen unter den Fachleuten, bei denen sich die Kirche erkundigt.

Das hatte Folgen. Die Ehepaare stellten Umfragen an, nach denen die große Mehrheit der katholischen Ehepaare sich für eine Änderung der kirchlichen Lehre in der Frage der Empfängniskontrolle aussprachen. Und das nicht aus praktischen Gründen, sondern in tiefer Verantwortung für die Würde des Lebens. So nachdrücklich argumentierten die Laien, dass sich bei einer Abstimmung unter den Priestern 15 gegen und nur 4 für die Unveränderbarkeit der bisherigen Lehre aussprachen.

Zu einer Einigung kam es nicht. Es gab 1966 zwei Abschlussberichte: den der Mehrheit für eine Lockerung der Lehre und den der vier Minderheitstheologen. Eine anschließend eingesetzte Bischofskommission sollte die Sache klären. Das Ergebnis: Drei Bischöfe stimmten für die Verurteilung der künstlichen Empfängnisverhütung, neun dagegen, drei enthielten sich der Stimme.

Daraufhin nahm sich Papst Paul VI. selbst der Sache an – und er machte es sich nicht leicht. Er habe Nächte durchbetet, sagte er später. Es sei die schwerste Entscheidung seines Pontifikats gewesen. Und doch könne er nicht anders, als sich der Minderheitsposition anzuschließen, die von so einflussreichen Kardinälen wie Alfredo Ottaviani und Karol Wojtyla, dem aufstrebenden Stern aus Krakau, vehement vertreten wurde. Jeder einzelne „eheliche Akt“ und nicht nur die ganze Ehe müsse offen sein für Kinder. Das sei göttliches Recht und deshalb sei „jeder eheliche Akt, der willentlich unfruchtbar gemacht wird“ sittlich unerlaubt („Humanae vitae“ 14).

Der Rest liegt im Dunkeln: „Wie genau der Text zustande kam, wer ihn entwarf, veränderte, redigierte – all das gehört bis heute zu den bestgehütetsten vatikanischen Geheimnissen“, schreibt der Moraltheologe Martin Lintner in seinem jüngst erschienenen Buch „Von Humanae vitae bis Amoris laetitia. Die Geschichte einer umstrittenen Lehre.“

Dem Jahr 1968 widmet sich das Dom-Magazin, das im Mai 2018 erschienen ist. Sie können es hier einsehen.

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