18.10.2017

Was am Ende wirklich wichtig ist

Die Mitglieder im Palliativnetz Paderborn haben die Hospiz- und Palliativtage im Paderborner Rathaus vorbereitet und durchgeführt. Fotos: Karl-Martin Flüter

Kreis Paderborn. Die Versorgung von schwerstkranken und sterbenden Menschen im Kreis Paderborn hat in den letzten Jahren wesentlich an Qualität gewonnen – und sie ist besser als in vielen anderen Bereichen Deutschlands. Das wurde bei den Hospiz- und Palliativtagen im Paderborner Rathaus bekannt.

von Karl-Martin Flüter

Mit den Hospiz- und Palliativtagen „jeder moment ist leben“ am Freitag, 13. Oktober, und Samstag, 14. Oktober, erinnerten die Palliativeinrichtungen und Hospizdienste in Nordrhein-Westfalen an die Gründung eines landesweiten Palliativnetzwerkes. Seitdem hat sich zwischen Rhein und Weser viel in der Versorgung von schwerstkranken und sterbenden Menschen zum Besseren geändert.

Das gilt vor allem für den Kreis Paderborn. Dieses Urteil stammt aus berufenem Mund. Der Palliativmediziner Professor Dr. Dr. Andreas Lübbe, Chefarzt der Palliativstation in der Bad Lippspringer Karl-­Hansen-Klinik, hat den Aufbau des regionalen Netzwerkes von Anfang an mitverfolgt. In seinem Vortrag während der Hospiz- und Palliativtage erinnerte er an die schwierigen Anfänge vor etwas mehr als zwei Jahrzehnten.

Damals übernahm der Mediziner seine neue Aufgabe in der Karl-Hansen-Klinik in Bad Lippspringe. Der Kreis Paderborn war zu dieser Zeit noch ein weitgehend weißer Fleck auf der bundesweiten Landkarte der Palliativmedizin, sieht man vom stationären Hospiz der Vincentinerinnen in Paderborn ab.

Doch die mangelhafte Versorgung war auch andernorts die Regel. Ende des letzten Jahrtausends waren gerade 34 Krankenhäuser in Deutschland mit Palliativeinrichtungen ausgestattet. Heute sind es 300. Das ist eine wesentliche Verbesserung, aber die Mehrzahl der 2 000 Kliniken ist immer noch nicht palliativ ausgerüstet. Die Aufgabe bleibt groß.

In Paderborn arbeiten mittlerweile neun Dienste und Einrichtungen in diesem Bereich. Vor allem die Gründung des Vereines „Palliativnetz Paderborn e. V.“ vor zehn Jahren hat die Situation verändert. Unter diesem Dach arbeiten stationäre und ambulante Dienste, Ärzte und Therapeuten, Apotheken und Hospize zusammen. Diese Kooperation sichert Betroffenen eine auf ihre individuelle Situation abgestimmte Versorgung.

Dennoch bleibt es wichtig, die Öffentlichkeit auf Anliegen der Palliativmedizin und der Hospizarbeit hinzuweisen – und das nicht nur im Alter. In seinem Grußwort wies Vinzenz Heggen, der stellvertretende Landrat, darauf hin, dass zwei Drittel der Palliativ­patienten unter 70 Jahre alt sind.

In diesem Zusammenhang von einer „guten“ Sterbekultur zu sprechen, wirkt vielleicht makaber. Allerdings ist dieser Begriff in der Fachdiskussion durchaus gebräuchlich, etwa um die Palliativmedizin von der teuren Hochleistungsmedizin abzugrenzen. Diese Unterscheidung wird immer wesentlicher, wenn es um die angemessene Therapie von schwerstkranken Menschen geht. Nicht jede Hightech-Therapie macht am Lebensende noch Sinn – sie kann sogar die Lebensqualität der Sterbenden erheblich beeinträchtigen.

Die Entscheidung darüber fordert alle Beteiligten, nicht nur die Patienten und ihre Angehörigen. Auch der Ärzte­stand muss umdenken. Viele Mediziner glauben immer noch an eine Verpflichtung, das Leben so lange wie nur möglich zu verlängern. Professor Dr. Dr. Andreas Lübbe erinnerte seine Berufskollegen im Gegenteil daran, dass es in der letzten Lebensphase vor allem darum geht, die Lebensqualität zu erhalten.

Manchmal ist es jedoch nicht die falsch verstandene medizinische Ethik, die zu vollkommen unnötigen und die Kranken belastenden Behandlungen am Lebensende führen. Folgt man Lübbe, dann werden auch deshalb überflüssige teure Therapien an Schwerstkranken und Sterbenden durchgeführt, weil diese den Häusern gutes Geld bringen. Das geschehe vor allem in Regionen, in denen der Konkurrenzdruck der Kliniken groß ist. Auf den Kreis Paderborn treffe das nicht zu, betonte Andreas Lübbe.

Ärzte, Patienten, Angehörige: Sie alle stehen vor schwierigen Entscheidungen, wenn ein Leben endet. Auch die Gesellschaft muss sich entscheiden. Das betrifft vor allem die Frage nach der Sterbehilfe und dem Suizid.

Das Bundesverwaltungsgericht hat entschieden, dass der Staat Patienten in extremen Ausnahmefällen den Zugang zu dem tödlichen Medikament Pentobarbital nicht verwehren darf. Mittlerweile liegen 43 Anträge auf Verwendung des Medikamentes vor, teilte Andreas Lübbe in Paderborn mit. Das Bundesgesundheitsministerium sperrt sich allerdings gegen die Vergabe des Medikamentes, außerdem wird das Bundesverfassungsgericht über diese Frage noch entscheiden. Andreas Lübbes Position ist ein eindeutiges Nein. „Wir Ärzte haben die Aufgabe“, so der Bad Lipp­springer Palliativ-Chef­arzt, „die Leiden unserer Patienten zu lindern und die Lebensqualität zu erhalten.“

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