17.04.2019

Ob Dorfkirche oder Dom

Dr. Gregor Haunerland am Taufstein der Kirche St. Georg in Paderborn: „Kirche ist ein Ort des Glaubens und der Liturgie – das sollte bei einer Kirchenführung ein zentraler Aspekt sein“, sagt der pensionierte Mediziner, der am 10. Ausbildungskurs für Kirchenführer teilgenommen hat. / Dr. Nicola Karthaus am Portal der St.-Meinolf-­Kirche in Paderborn: „Ich sehe die Kirche, in der ich selbst getauft wurde, heute mit anderen Augen“, sagt sie nach dem Kurs. Fotos: Wiedenhaus

Erzbistum. Es war ein echtes Jubiläum: Zum zehnten Mal bekamen jetzt neue Kirchenführerinnen und Kirchenführer ihre Zertifikate überreicht. Zum Abschluss ihrer Ausbildung stellten die 14 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus Paderborn, Borchen, Arnsberg, Oerlinghausen, Witten, Erwitte, Soest, Bad Lippspringe, und Hagen ein für sie bedeutsames Gotteshaus vor. Von der heimatlichen Dorfkirche in Eissen über die Autobahnkirche Siegerland bis zum Patrokli-Dom in Soest reichten die Kirchenführungen. Zu den Absolventen des aktuellen Kurses gehörten auch Dr. Gregor Haunerland und Dr. Nicola Karthaus aus Paderborn.

von Andreas Wiedenhaus

„Schauen Sie“, sagt Gregor Haunerland und richtet selbst seinen Blick in die Höhe: „Wenn das Licht in der Mittagszeit durch die Fenster fällt, ist der Kirchenraum in viele leuchtende Farben gehüllt – ein faszinierendes Bild!“

Hier spricht jemand mit sehr viel Begeisterung von „seiner“ Kirche, das wird schon nach wenigen Worten deutlich. „Seit wir vor 16 Jahren nach Paderborn gezogen sind, leben wir in dieser Gemeinde“, erklärt der 65-Jährige. „Die Kirche hat mich mit ihrer Baugeschichte und ihrer speziellen Architektur immer interessiert.“

„Und jetzt nach dem Kurs habe ich auch das nötige Rüstzeug, um anderen Menschen diese Kirche näherzubringen“, fügt der Mediziner hinzu, der vor Kurzem in Pension gegangen ist. Durch Zufall sei er auf das Angebot aufmerksam geworden, erinnert er sich: „Ein echter Glückstreffer – Themenauswahl, Methodik und nicht zuletzt der Austausch mit den anderen Teilnehmern waren eine perfekte Kombination!“ Schließlich, so Gregor Haunerland, gehe es ja nicht darum, sich auf Faktenwissen zu konzentrieren und dieses weiterzugeben: „Im Mittelpunkt steht die Tatsache, dass es hier um einen Ort gelebten Glaubens geht!“

Ein aktuelles Beispiel für diesen Anspruch, so der 65-Jährige, seien die Kunstwerke, die als Orte des Tauf- und Totengedächtnisses im Jahr 2015 ihren Weg in die St.-Georg-Kirche fanden: Zwei Stelen mit jeweils einer großen roten bzw. orangefarbenen Wachstafel stehen an den Enden eines Quergangs in Höhe des Taufbeckens. In die Tafeln werden die Namen der Getauften und Verstorbenen graviert. „Die Ästhetik mag künstlerisch interessant sein, sie bleibt aber leer und formelhaft, wenn man sie nicht mit den theologischen Inhalten in Verbindung bringt und diese auch seinen Zuhörern vermittelt“, macht Haunerland den für ihn zentralen Aspekt deutlich.

Ihre ganz persönliche Beziehung zur Paderborner Kirche St. Meinolf war auch für Dr. Nicola Karthaus ein Grund, den Kurs zu absolvieren. „Ich bin in dieser Kirche getauft worden und kenne sie seit meiner Kindheit, aber so richtig tief in die Historie des Gotteshauses aus den 1930er-Jahren bin ich erst im Rahmen des Kurses eingetaucht“, sagt die Historikerin.

Dabei sei ihr das „Gesamtpaket“ der Ausbildung etwa mit den Teilbereichen Kunst- und Liturgiegeschichte eine große Hilfe gewesen: „Ich sehe die Kirche, zu deren Architektur ich vorher keinen großen Bezug hatte, heute mit anderen Augen.“

Für die Präsentation von St. Meinolf befasste sie sich eingehend mit der Entstehungsgeschichte: „Hier wurde eine große Eisenbahnersiedlung errichtet, und in diesem Zusammenhang stand auch der Bau einer neuen Kirche an.“ Im Außenbereich hat sich seitdem kaum etwas geändert, doch im Inneren eine ganze Menge. „Nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil wurde natürlich auch in St. Meinolf vieles umgebaut“, erläutert die Historikerin.

Um das zu verstehen und auch weitergeben zu können, müsse man sich deshalb mit der katholischen Liturgiegeschichte befassen: „Ein sakrales Gebäude kann man nur dann wirklich erfassen, wenn man ein grundsätzliches Verständnis von der Liturgie hat und so auch vermitteln kann, wie und warum sich vieles geändert hat.“ So, meint Nicola Karthaus, sei es möglich, nicht nur Wissen weiterzugeben, sondern Kirche lebendig zu halten.„Wer anderen Menschen einen Kirchenraum erklärt, wirkt mit bei der Evangelisierung“, sagte der Leiter der Hauptabteilung Pastorale Dienste, Prälat Thomas Dornseifer, bei der Übergabe der Zertifikate: „Sie möchten mit Ihren Kirchenführungen Menschen ansprechen und ihnen etwas von Ihrem Wissen, von Ihrer Auseinandersetzung mit Kirchen- und Glaubenserfahrungen weitergeben. Indem Sie hier in der Fortbildung Ihre Fähigkeiten und Talente als Kirchenführer und Kirchenführerin weiterentwickelt haben, werden Sie ermöglichen, dass viele Menschen, die Teilnehmerinnen und Teilnehmer Ihrer zukünftigen Kirchenführungen, persönliche Erfahrungen mit kirchlichen Orten machen werden. Kirchenführungen zu gestalten, bedeutet immer auch ein persönliches Glaubenszeugnis zu geben.“

Für diese sehr wichtige Aufgabe, so Dornseifer weiter, wünsche er allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern Gottes Segen.

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