12.08.2016

Märtyrer der Versöhnung

Pater Maximilian Kolbe gab sein Leben für einen Mithäftling.

Freiburg/Oswiecim (KNA). Im Keller des Todesblocks von Auschwitz ist das Grauen bis heute spürbar: niedrige Betonverliese, in die durch vergitterte Löcher kaum ein Lichtstrahl fällt. Wen die Nazis hier einpferchten, der sollte verhungern. Oder ersticken. Vor 75 Jahren, am 14. August 1941, starb hier der polnische Franziskanerpater Maximilian Kolbe. Eine Episode der Vernichtungsmaschinerie von Auschwitz – und doch ist Kolbes Todeszelle bis heute ein wichtiger Gedenk­ort.

von Volker Hasenauer

Beim Weltjugendtag vor wenigen Wochen ging auch Papst Franziskus in die Kellerzelle des 1982 als Märtyrer heilig­gesprochenen Kolbe hinab. Vorn­übergebeugt verharrte Franziskus minutenlang auf einem Schemel.

Die wenigen direkten Zeugen von Kolbes Tod berichteten nach ihrer Befreiung, dass die Ermordung des jungen Paters einen Einschnitt bedeutete. „Die Tat von Pater Maximilian hat uns alle erschüttert. Etwas hat sich verändert. Das Gebot der Nächstenliebe hat seine Bedeutung wiedererlangt. Das Leben, das durch den freiwilligen Tod erkauft wird, hat seinen Wert zurückgewonnen“, erinnerte sich Michal Micherdzinski, der als einer der letzten Zeitzeugen Kolbes im Jahr 2006 starb.

Kolbe hatte ein dramatisches Zeichen gesetzt, weil er freiwillig in den Tod ging. Er bot sich dem SS-Führer Karl Fritzsch als Austausch für einen jungen Familienvater an, als die Nazis zur Vergeltung für die Flucht eines Häftlings im August 1941 zehn Männer zum Hungertod in die Todeszelle sperrten. „Ich möchte für einen der Häftlinge in den Tod gehen. Ich bin katholischer Priester und habe keine Familie“, soll er dem KZ-Befehlshaber gesagt haben. Dieser akzeptierte den Austausch. Weil Kolbe die Qualen im Hungerbunker tagelang überlebte, wurde er schließlich durch Giftinjektion ermordet.

1894 in der Nähe von Lodz geboren, wuchs Kolbe in einer frommen Familie auf. Die Eltern schickten Rajmund – Maximilian ist erst sein späterer Ordensname – gemeinsam mit einem Bruder in ein Franziskanerinternat im heute ukrainischen Lwiw (Lemberg). Die Franziskaner entsenden den begabten Schüler dann für ein Philosophie- und Theologiestudium nach Rom, das er mit doppelter Promotion abschließt. 1918 wird Kolbe Priester.

Nach dem Ersten Weltkrieg kehrt er in seine Heimat zurück und gründet westlich von Warschau die katholische „Klosterstadt“ Niepokalanów mit Verlag, Druckerei, Werkstätten, Rundfunkstation, Klostergebäude und einem Seminar für Gymnasiasten. Das Zentrum wird zu einem schnell wachsenden Vorzeigeprojekt des Ordens. Kolbe gründet mehrere katholische Zeitschriften, die seine Arbeit bekannt machen. Er selbst schreibt vor allem über die ihn selbst prägende Verehrung der Gottesmutter Maria.

Ende 1938 ist Niepokalanów mit mehr als 660 Franziskanern eine der großen Klostergemeinschaften Europas. Das Ende kommt wegen des deutschen Überfalls auf Polen im September 1939 jäh. Die deutschen Soldaten vertreiben alle Ordensbrüder und machen den Klosterkomplex zu einem Gefangenenlager. Kolbe kommt nach einer ersten Inhaftierung wieder frei. Doch schon 1941 wird er wieder verhaftet und nach Auschwitz deportiert.

Die Nachricht seines Todes verbreitet sich wie ein Lauffeuer unter polnischen Katholiken. Und nach Kriegsende beginnt schnell die Verehrung Kolbes als Märtyrer. In einem gemeinsamen Brief bitten 1963 die polnischen und deutschen Bischöfe um die Seligsprechung, die 30 Jahre nach seinem Tod erfolgt.

Zugleich wird er Namensgeber des 1973 gegründeten ­Maximilian-Kolbe-Werkes, das von seinem Sitz im baden-­württembergischen Freiburg aus die Überlebenden der Konzentrationslager und Ghettos in Polen und Osteuropa unterstützt. 1982 spricht Papst Johannes Paul II. seinen Landsmann als „Märtyrer der Versöhnung“ heilig.

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