06.12.2017

Kompetenzvermutung

Erwartungen… Foto: Rainer Sturm / pixelio

Der Advent ist die Zeit der Erwartungen, viele Texte und Meditationen befassen sich mit der Frage: Was erwarte ich – vom Leben, von der Familie, von der Kirche, von Gott?

von Claudia Auffenberg

Es ist sicher wichtig, in Erwartung zu bleiben. Allerdings kann der Weg zum Frust sehr kurz sein, wenn sich nämlich eine Erwartung – besonders die in die Mitmenschen – nicht erfüllt.

Vielleicht drehen wir die Frage einfach mal um: Was erwarten die Leute von mir, von uns? Was können sie erwarten? Und da schenkt einem das Leben doch manchmal Erlebnisse, die einen nachdenklich oder glücklich oder unruhig machen oder auch alles zusammen. Viele Leserinnen und Leser haben ganz sicher auch schon solche Erfahrungen gemacht. Zum Beispiel: Eine kleine Gruppe Journalisten, Pressesprecher und Werbeleute ist zu Gast in einer theologischen Einrichtung in Paderborn. Die Einrichtung stellt sich vor, es gibt Schnittchen und Wein. Dann beginnt die Diskussion, zunächst mit den üblichen Themen: Zölibat, Rolle der Frau. Meine Güte, die meisten sind doch gar nicht katholisch, warum interessiert euch das, fragt man und als Antwort heißt es sinngemäß: Die Kirche ist auf keinem guten Weg und wir machen uns Sorgen um eine Gesellschaft ohne Kirche. Oder: Man sitzt im Pu­blikum einer Podiumsdiskussion. Es geht um die Digitalisierung von Verlagen. Die unbekannte Sitznachbarin fragt, wo man arbeitet, man sagt es und sie erzählt vom Tod ihrer Mutter. Warum das? Vielleicht, weil Bonifatius nach Kirche klingt und man dort Menschen vermutet, denen man so was erzählen kann. Oder: Ein Kind wird getauft, das schon über das Taufalter hinaus ist und dessen Eltern bislang nicht durch übertriebene Frömmigkeit aufgefallen sind. Interessant. Die Frage, warum lasst ihr euer Kind taufen, bleibt zunächst am Kuchenbüfett hängen. Jahre später, andere Feier, die Mutter kommt und sagt: Ich hatte die Frage noch gar nicht beantwortet, und es entwickelt sich ein intensives Gespräch, an dem sich auch noch andere am Tisch beteiligen.

Ab und zu macht man die Erfahrung, dass Menschen, wenn es darauf ankommt, von uns Christen etwas erwarten. Das dürfen sie auch. Das sollen sie auch. Dafür sind wir da.

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