06.10.2016

Ich und wir

Foto: C. Auffenberg

Zu den Nutznießern der Reformation gehört zweifellos, wenn auch erst nach fast 500 Jahren, die Firma Playmobil. Ihr Luther ist ein Verkaufsschlager. 7,5 Zentimeter ist der Reformator groß wie all die anderen Figuren, die einen erwachsenen Menschen darstellen, also Müllmänner, Cowboys, Bauarbeiter oder In­di­aner. Es wäre übrigens ein Leichtes, aus einem Cowboy einen Müllmann zu machen. Man braucht nur ein paar Accessoires auszutauschen.

von Claudia Auffenberg

Als Playmobil in den 1970er- Jahren auf den Markt kam – die Jüngeren werden sich erinnern – waren die Figuren noch einheitlicher als heute. Es gab nicht mal weibliche Figuren, sondern wie einst im Garten Eden nur den Menschen an sich. Das hatte auch technische Gründe. Heute können typische Merkmale direkt angebracht oder angemalt werden. Die einzelne Figur ist damit charakterlich festgelegt, aber eben auch weniger wandelbar, nicht mehr ganz so offen. Dieses Prinzip von Playmobil, nämlich dieses Verhältnis von Einheitlichkeit und Individualität, ist faszinierend, denn es bringt die großen Fragen ins Kinderzimmer: Was hält die Gesellschaft zusammen und wieviel Eigensinn vertragen wir? Wenn es um die Wahlbeteiligung, ums Kopftuch muslimischer Frauen, um unser aller Mobiliät geht oder um die Ökumene, hängen dahinter doch immer diese Fragen.

Bis vor Kurzem machte im Maximilianpark in Hamm die Wanderausstellung des Historischen Museums Speyer zum 40. Geburtstag der Firma Station. Zu sehen gab es natürlich begeisterte Kinder, aus dem Häuschen befindliche Väter, die in Gedanken schon zu Hause die Kellerregale durchforsteten, und natürlich Playmobilfiguren noch und nöcher.

Mangels irgendwelcher Mer­chandise-Produkte nahm man zwei Erkenntnisse fürs Leben mit nach Hause:
1. Die Individualität des Einzelnen wird erst in der Gemeinschaft, im Miteinander erkennbar und zum Faszinosum.
2. Aus Luther kann man heutzutage keinen Müllmann mehr machen.

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