17.05.2018

Große Bühne für die Pflege

53 kleine Pflegeflitzer beteiligten sich am Autokorso. Foto: Flüter

Kreis Paderborn. Die Pflege steckt in einer Krise. Es fehlen vor allem Pflegekräfte. Dennoch präsentierten sich die Mitarbeiter der Pflege im Kreis Paderborn am „Internationalen Tag der Pflege“ in
Paderborn mit viel Selbstbewusstsein.

von Karl-Martin Flüter

Josefine Ernstberger hatte nur einen kurzen Auftritt, aber sie war der unbestrittene Star auf der großen Bühne vorm Paderborner Rathaus. „Ihr seid alle wunderbar“, rief sie ihren Zuhörern zu und die bedankten sich mit lautem Applaus. Die Freude war verständlich. Auf dem Rathausplatz hatten sich etwa 200 Pflegekräfte aus dem Kreis Paderborn versammelt, um zum „Tag der Pflege“ für ihren Beruf zu demonstrieren. Die 96-jährige Josefine Ernstberger war kurzerhand auf die Bühne geklettert und bedankte sich bei den Pflegekräften, die sie zu Hause, aber auch in der Tagespflege St. Kilian unterstützen.

Diese Hilfe macht es Josefine Ernstberger überhaupt möglich, trotz ihres Alters in der eigenen Wohnung zu leben. Aber nicht nur deshalb findet sie ihre Pflegekräfte wunderbar: Es ist auch die freundschaftliche Art und Weise des Umgangs, die ihr den Alltag erleichtert und angenehmer macht. Andererseits können auch die Pflegekräfte ihre Wertschätzung gut gebrauchen. Obwohl sie einen wichtigen und verantwortungsvollen Beruf haben, wird über sie meist dann geredet, wenn es um Krisen und Skandale geht.

In diesem Jahr wurde am „Tag der Pflege“ jedoch so etwas wie ein neues Selbstbewusstsein der Pflegenden deutlich. Nachdem 53 Pkw von Pflegediensten in einem Autokorso um die Paderborner Innenstadt gefahren und so für Aufmerksamkeit gesorgt hatten, gaben Mitarbeitende von Diakonie und Caritas vor dem Rathaus Auskunft über ihren Beruf. Sie trugen keine Beschwerdeliste vor, wie das in den vergangenen Jahren schon mal vorgekommen war, sondern zählten auf, warum sie ihren Beruf gerne ausüben.

Kim Pochalla, Auszubildende in der Diakoniestation St.  Johannnisstift, schätzt die große Attraktivität des Pflegeberufes auf dem Arbeitsmarkt. Wenn sie, wie geplant, nach der Ausbildung Pflegewissenschaft studiert, werden sich ihr viele Karrierechancen eröffnen. Janine Klöpping, Pflege­azubi im Caritasverband Paderborn, lobt die Vielseitigkeit des Berufes und vor allem die emotionale Tiefe: „Es kommt etwas zurück. Ich gehe nach der Arbeit immer mit einem Gefühl der Zufriedenheit nach Hause.“ Oliver Schneider, Krankenpfleger im St. Johannisstift, empfindet die große Verantwortung in seinem Beruf als bereichernd.

Befragt wurden die Pflegemitarbeiter von Antje Huismann. Die Kabarettistin brachte ein große Portion Spontaneität und den liebenswerten Tanten-Charme ihrer Kunstfigur Else Mögesie mit. Das Improvisationstalent wurde so mit den etwas ungünstigen Bedingungen der Veranstaltung spielend fertig. Die Kundgebung fand am Samstag auf und vor der großen Bühne vorm Rathaus statt, die für den Aufsteiger SC Paderborn 07 errichtet worden war. Im Vergleich zu den Tausenden SCP-Fans war es ein kleines Grüppchen, das für die Pflege warb. Dennoch wurden die Pflegenden wahrgenommen, auch weil sie prominente Unterstützer hatten.

Zu ihnen zählt Landrat Manfred Müller, der die Bedeutung der Pflege für das soziale Leben im Kreis Paderborn betonte. Müller ist Schirmherr einer Kampagne, mit der die Wohlfahrtsverbände für ein besseres Image der Pflege werben.

Seine Aufgabe löste der Land­rat so gut, dass Moderatorin Antje Huismann lobende Worte fand: Einen besseren Werbefachmann für die Pflege werde man so schnell nicht finden. Von so viel Enthusiasmus ließ sich Dietrich Honervogt, der stellvertretende Bürgermeister, anstecken. Die Pflegekräfte seien so wichtig für Paderborn, dass auch sie eine vergleichbar große Bühne wie für den SCP verdient hätten.

Dennoch wissen auch die Politiker, dass die Pflege in einer Krise steckt. Es fehlen vor allem Arbeitskräfte. Christian Duczek, stellvertretender Pflegedienstleiter im Clemens-August-von-Galen-Haus in Delbrück, erlebt das jeden Tag, wenn er die Dienstpläne für seine Kollegen schreibt: „Es ist schwierig, allen Anforderungen gerecht zu werden: den Bewohnern, die Pflege brauchen, den Kollegen, die nicht überfordert werden dürfen, und den rechtlichen Vorgaben.“ Dennoch sieht er die Lage positiv: „Es gibt viel Potenzial. Jetzt kommt es darauf an, dass die Politik reagiert.“

Genau deshalb haben die Pflegekräfte am Tag der Pflege protestiert. Die Kundgebung endete mit einem Auftritt des Rappers Ferdi Cebi, der im St.  Johannisstift als Altenpfleger arbeitet. In seinem Song „Gemeinsam (Für die Pflege)“ hat er die Solidarität für und mit den Pflegenden eingefordert: „Wir lieben den Beruf, alle gemeinsam, zusammen sind wir stark.“

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