22.06.2016

Flagge zeigen!

Hinter dem Adler ist das Motiv zu sehen, das Josef Wirmer als Nationalflagge für ein Deutschland nach Hitler entworfen hatte. Bis 1970 wurde dieses Wappenschild von der CDU verwendet. / Foto: Konrad-Adenauer-Stiftung e.V./Plakatsammlung

Bei der Europameisterschaft fallen derzeit vor allem zwei Varianten von Nationalflaggen auf: welche mit Kreuz und welche ohne. „Flaggen ohne christliches Symbol verweisen zumindest in Europa oft auf ein dezidiert republikanisches Ereignis hin“, so Arnold Otto, Archivar des Erzbistums Paderborn.

Republikanisch heißt antimonarchisch, was den Rückschluss zulässt, dass die Fahnen mit Kreuz auf Königshäuser zurückgehen, die nun wiederum häufig mit der Kirche bzw. mit den Kirchen verbunden waren.

„In den Flaggen“, so Otto, „äußert sich halt doch recht unauslöschlich das christliche Abendland.“ Ah, apropos! Bei Pegida-Demonstrationen sieht man regelmäßig eine Flagge, die irgendwie an Skandinavien erinnert. Sie zeigt ein schwarzes, goldumrandetes Kreuz auf rotem Grund.

Die Flagge geht zurück auf Josef Wirmer, den katholischen Rechtsanwalt aus Warburg, der 1945 im Zuge des Attentats vom 20. Juli 1944, hingerichtet wurde. Legendär sein Wort an Roland Freisler, den wutschnaubenden Präsidenten des Volksgerichtshofs: „Wenn ich hänge, habe nicht ich Angst, sondern Sie!“

Die Männer des 20. Juli hatten nicht nur geplant, den Diktator loszuwerden, sondern natürlich auch über eine neue Staatsform nachgedacht. Zum Widerstand gehörten verschiedene Persönlichkeiten mit unterschiedlichen Vorstellungen über ein zukünftiges Deutschland. Nicht alle waren Anhänger der Demokratie, wie es Wirmer war. Manche, vor allem die Offiziere, waren eher deutschnational geprägt mit einem gewissen Hang zum Germanentum. Schon zu Kaisers Zeiten gab es eine Affinität nach Skandinavien, dessen Menschen man gerne die Attribute groß, blond und kräftig, eben „germanisch“ zuschrieb.

Mit seinem Flaggenentwurf versuchte Wirmer einen Kompromiss: Er wählte die Farben der Weimarer Republik und formte daraus ein Kreuz nach skandinavischem Vorbild.

Nach dem Krieg konnte sich die Flagge nicht als National­flagge durchsetzen, sie blieb aber bis 1970 Teil des CDU-­Logos. Seit sechs Jahren taucht sie nun bei rechtspopulistischen Demonstrationen auf. In einem Interview mit Spiegel-Online äußerte sich Wirmes Sohn, Anton Wirmer, entsetzt darüber: „Es ist im Grunde die Verdrehung all der Ideen, die seine Flagge darstellt.“

Warum machen die Pegida-­Demonstranten das? Wissen sie womöglich nicht, was sie da zeigen? Doch, sagt Dr. Jan Schlürmann, Historiker aus Kiel, der sich intensiv mit der Wirmer-Flagge befasst hat. „Pegida sieht sich in der Tradition des Widerstandes“, sagt er. Die Wirmer-Flagge heißt in der rechten Szene Stauffenberg-Flagge, wobei Graf zu Stauffenberg durchaus anders gesinnt war als Wirmer und den Flaggenentwurf wahrscheinlich gar nicht kannte. Zudem, sagt Schlürmann, fechte Pegida für ein christliches Abendland – was auch immer sie darunter verstehen mögen –, und da ist das Kreuz ein eindeutiges Symbol.

„Das Problem ist immer“, sagt Schlürmann noch, „wer seine eigenen Symbole nicht benutzt, dem gehören sie nicht mehr.“

 

Claudia Auffenberg

 

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