30.10.2015

Die Gefahren des Salafismus

Klärten über den Salafismus auf (v. l.): Herlinde Jolk (Kath. Bildungswerk), Heinz Wolff, Frank Fröhlich (KKV Hansa Bielefeld), Referent Dr. Thomas Lemmen und Wilfried Jolk (Kath. Bildungswerk).

Bielefeld. Was ist Salafismus? Stellt er eine Bedrohung für die Gesellschaft dar? Wie können wir uns gegen mögliche Gefahren wehren? Antworten auf diese Fragen gab Dr. Thomas Lemmen, Referent für Islamfragen beim Erzbistum Köln, bei einer Vortragsveranstaltung des KKV Hansa Bielefeld und des Katholischen Bildungswerks Bielefeld im Klostersaal der Kirchengemeinde St. Jodokus.

Vor gut 100 Zuhörern ordnete er den Salafismus als rückwärtsgewandte, revisionistische und zum Teil gewaltbereite Strömung des sunnitischen Islams ein. Der Theologe verhehlte nicht die Gefahren, die von dieser Ideologie in Deutschland ausgehen, warnte aber davor, die fundamentalistischen Extremisten mit dem Islam gleichzusetzen: „Wir dürfen den Salafisten nicht die Deutungshoheit über den Islam überlassen. Wichtig sind die Förderung des Dialogs mit den unterschiedlichen Religionen und die Vorbeugung einer Diskriminierung der Muslime.“

Salafisten beriefen sich auf ihre „rechtschaffenen Vorfahren“ und seien Verfechter eines Islams, wie er von dem Propheten Muhammad und den drei folgenden Generationen praktiziert worden sei, sagte Lemmen. Alle späteren Entwicklungen und Veränderungen im Islam würden von den Salafisten abgelehnt und bekämpft, ebenso wie andere Religionen, Demokratie, das Menschenrecht auf Selbstbestimmung, Pluralismus Marktwirtschaft sowie die Trennung von Staat und Religion.

In einem geschichtlichen Rückblick bezeichnete der Islam-Experte den Ägyptenfeldzug Napoleons 1798 als Ausgangspunkt für die Entstehung des Salafismus. Der Einmarsch der französischen Armee und später auch der Briten und Russen hätten die arabische Welt erschüttert und deren Niedergang eingeleitet. Als Gegenreaktion habe sich eine theologische Denkschule breitgemacht, die die Lösung der Probleme in einer Rückbesinnung auf die alten Werte des Islam gesehen habe. Anfang des 20. Jahrhunderts hätten Politiker dieses Gedankengut aufgegriffen und zu einer politischen Ideologie entwickelt.

Einen weiteren Schub der Ideologisierung habe es 1967 nach der Niederlage der arabischen Staaten Ägypten, Jordanien und Syrien im Sechstagekrieg gegen Israel gegeben, erklärte Lemmen. Radikale Parteien, wie etwa die Muslimbrüder in Ägypten, hätten immer mehr Zulauf erhalten und in anderen Staaten Fuß gefasst – auch in Europa.

In Deutschland habe sich der Salafismus in den vergangenen Jahren ausgebreitet. Es gebe gewaltfreie Strömungen, aber auch eine Gewalt befürwortende Richtung. Etwa 20 Wanderprediger missionierten mit subtilen, medienwirksamen Methoden, berichtete Lemmen. So versuche man mit spektakulären Aktionen, wie etwa der Verteilung des Korans in den Fußgängerzonen großer Städte oder einer „Scharia-Polizei“ in Wuppertal, die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Bevorzugte Zielgruppe seien noch nicht gefestigte junge Leute. Um sie zu erreichen, bediene man sich der Pop-Idole und sei in sozialen Netzwerken aktiv. Man biete einfache Antworten, eine Art „Ersatzfamilie“ und utopische Heilsversprechen. Mit besonderer Besorgnis sei zu beobachten, dass sich Salafisten immer mehr an junge Frauen wendeten. Man locke Frauen, indem man sage, es sei besonders verdienstvoll, Braut eines Kriegers zu sein – und man missbrauche sie auch für Selbstmordattentate: „Frauen scheinen weniger verdächtig als Männer.“

Nach allem was bekannt sei, hätten gewaltbereite Salafisten auch großen Einfluss in der terroristischen Vereinigung Islamischer Staat (IS), sagte Lemmen: „Der IS hat eindeutig eine salafistische Grundordnung, Salafisten stehen an der Spitze.“ Gewiss würden Salafisten auch versuchen, in den Flüchtlingseinrichtungen in Deutschland zu missionieren. Die Gefahr ist für Lemmen aber beherrschbar: „Die Flüchtlinge sind doch vor den Terroristen weggelaufen.“ Bedrohlicher seien die zurückkehrenden IS-Kämpfer.

Wie kann man dem Salafismus entgegentreten? Aufklärung und Information hält Lemmen, der auch Lehrbeauftragter an der Katholischen Hochschule NRW in Köln ist, für den wichtigsten Baustein. Nur wer die Fakten kenne, könne Propaganda entlarven. Lemmen sprach sich dafür aus, ohne Vorurteile auf Muslime zuzugehen, denn: „Die Muslime sind nicht das Pro­blem, sondern Teil der Lösung.“

Herlinde Jolk für das Katholische Bildungswerk und der KKV-Vorsitzende Frank Fröhlich dankten Lemmen für seine Ausführungen. Das Auditorium bedachte den Referenten mit lang anhaltendem Beifall.

Manfred Matheisen

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