16.08.2018

Das Geheimnis der Liebe

Essen ist Beziehungssache. Gemeinsam schmeckt es besser. Foto: davidpereiras / photocase

An Jesus wird deutlich, dass der Geliebte zum Leben dessen wird, der ihn liebt.

von Carola Thomann

Das Evangelium dieses Sonntags stellt den Höhepunkt der Brotrede Jesu von Kafarnaum dar, die uns bereits an den vergangenen zwei Sonntagen begleitet hat. Diese Brotrede ist eine Selbstoffenbarung Jesu und seiner Mission. Im Alten Testament definiert sich Jahwe als der „ICH BIN“. Diese Kenntnis Jahwes wird vermittelt durch das, was ER tut; sie findet sich z. B. in der Paschafeier der Israeliten: „ICH BIN der Herr“ (Ex 12,12). Jesus, der neutestamentliche Offenbarer, schreibt sich selbst diese alttestamentliche Offenbarungsformel zu: Er wendet diese Formel mehrere Male in absoluter Form auf sich selbst an, wenn er sagt: „ICH BIN“, „ICH BIN ES“, in sieben Fällen sogar mit einem figurativen Prädikat, hier: „ICH BIN das Brot des Lebens [lebendiges Brot] (vv. 35.48.51).

In dieser Brotrede erscheint Jesus zunächst als derjenige, der das Brot gibt, wie ein neuer und größerer Mose. Dann richtet er in seiner Rede den Blick auf das Brot, das er nicht nur gibt, sondern das er selbst ist. Er bezeichnet sich als das wahre Brot, das im Manna und in dem Brot versinnbildet ist, das er zuvor für die Menge vermehrt hat. Dieses Brot, wovon er spricht, ist – in zweifacher Weise – eine Nahrung des Glaubens für alle, die zu ihm kommen und ihn annehmen, nämlich das Brot der Weisheit und der Wahrheit: Er ist das sich offenbarende Wort, das im heutigen Evangelium sagt: „Ich bin das lebendige Brot, das vom Himmel herabgekommen ist … Wer mein Fleisch isst und mein Blut trinkt, hat das ewige Leben.“

Seine Zuhörer sind entrüstet, finden diese Rede hart, sie streiten … können seine göttliche Herkunft nicht anerkennen, weil er ein Mensch ist, wie alle; viele wenden sich ab. Das ist die „fundamentale Herausforderung“ der Menschwerdung: Jesus ist Wort und Fleisch, Gott und Mensch, und das Heil geht von der Tatsache aus, dass er Menschensohn und Gottessohn zugleich ist. – Die bedeutenden Worte in diesem Abschnitt „Fleisch“, „Blut“, „essen“, „trinken“ beziehen sich auf die sakramentale Nahrung, die eucharistische Nahrung des Fleisches und Blutes des Menschensohnes. Der Ausdruck „Menschensohn“ zeigt an, dass nicht gemeint ist, das Fleisch und Blut des physischen, irdischen Jesus zu essen und zu trinken, sondern das Fleisch und Blut des himmlischen, geisterfüllten Menschensohnes. – Doch Jesus offenbart, dass das Leben gerade von seinem menschlichen Leben herkommt, von seinem Leib, der für das Leben der Welt hingegeben wird. Das Sprechen von Fleisch und Blut weist hin auf das Kreuz, an dem Jesus seinen Leib hingibt und sein Blut vergießt. Seine Menschheit gibt dem Menschen, worauf alles hinweist, sich selbst.

Für das Volk, das durch die Wüste ging, war das Manna die Speise, die das physische Leben garantierte; das Gesetz war die Speise, die das ewige Leben garantieren sollte. Jesus stellt sich als wahre Speise und wahrer Trank dar, Erfüllung des Lebens, das in der Schöpfung seinen Anfang nimmt, im Exodus seine Rettung und in der Kommunion mit Gott sein Ziel findet: Jesus, der in inniger Beziehung zum Vater lebt, ist gekommen, um uns diese Beziehung, diese Kommunion mit Gott und damit untereinander zu vermitteln. Das ist das Geheimnis der Liebe: Der Geliebte wird zum Leben dessen, der ihn liebt.

Jedes andere Brot ist ein Symbol dieser Realität. Darum nehmen wir jedes kleine Stückchen Brot – jede Realität, so klein sie auch ist – als Zeichen der Liebe des Vaters entgegen, danken ihm, um es im Geiste Jesu mit den Brüdern und Schwestern zu teilen.

Und Johannes vereint in diesem Kapitel seines Evangeliums die wesentlichen Elemente der Eucharistie: das offen­barende Wort und das sa­kramentale Brot.

Zur Autorin:Sr. M. Carola Thomann FCJM gehört der Kongregation der Franziskanerinnen an, Töchter der heiligen Herzen Jesu und Mariä Salzkotten.

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