03.06.2016

Auch der deutsche Nachbar kann fremd sein

Bei einer Lesereise stellt Autorin Luise Rist ihr Buch „Rosenwinkel“ Schülerinnen und Schülern vor.

Erzbistum. Die Göttinger Autorin Luise Rist war auf Einladung der Büchereifachstelle des Erzbischöflichen Generalvikariats in Kooperation mit den Katholischen Öffentlichen Büchereien (KÖBs) zu Gast in Delbrück und Borchen, Büren und Bad Wünnenberg sowie Rüthen und Warstein.

Das Thema ihres Buches „Rosenwinkel“ ist aktuell und basiert auf wahren Begebenheiten: Die junge Roma Anita, die mit ihrer Familie in Deutschland lebt und hier auch geboren wurde, hat keinen deutschen Pass. Die Familie lebt seit vielen Jahren in der Duldung, das heißt sie kann jederzeit abgeschoben werden. Als sie die Abiturientin Frida kennenlernt, freunden sie sich an und lernen voneinander neue, fremde Welten kennen. In Anitas Welt fühlt Frida sich wohl, erlebt Gastfreundschaft und ein fröhliches Miteinander der Roma-Familien. Frida stellt bald fest, dass ihre Welt viele Vorurteile gegenüber den Menschen im „Rosenwinkel“ hat, einem Viertel mit schäbigen Hochhäusern, wo Roma und viele andere Flüchtlinge untergebracht sind. Als Anita mit ihrer Familie plötzlich nach Bosnien abgeschoben wird, reist Frida ihrer Freundin nach, um sie zu suchen. Sie erlebt soziale Gegensätze, Diskriminierung und erfährt, dass Roma nirgendwo in der Welt erwünscht sind. Luise Rist fragte die Schüler bei ihren Lesungen, ob sie ebenso wie Frida ihrer Freundin hinterherreisen würden, wenn diese plötzlich nicht mehr da wäre. „Da kann man doch sowieso nichts mehr machen“, lautete die Antwort eines Schülers, der noch hinzufügte: „Wir sind dazu zu bequem!“ Eine Einschätzung, die wohl der Mentalität von so manch einem hier lebenden jungen oder alten Menschen entspricht.

Luise Rist ermunterte die Schülerinnen und Schüler, auf Flüchtlinge zuzugehen, um sie kennenzulernen. Sie sollen sich durch das Fremde nicht abschrecken lassen. „Findet ihr nicht auch, dass auch der deutsche Nachbar sehr fremd sein kann?“, fragte die Autorin.

Zum Schluss gab sie den jungen Zuhörern diese Botschaft mit auf den Weg: „Es kann nicht so schwer sein, mit jemandem in Kontakt zu treten, der hier neu anfängt. Jeder von uns fängt doch immer wieder irgendwie neu an.“

Anita, das Mädchen auf dem Einbandbild des Buches, ist nicht, wie die Familie im Buch, nach Bosnien abgeschoben worden. Sie ist seit einigen Monaten mit ihrer Familie untergetaucht und hält sich daher illegal im Land auf. Luise Rist erzählte, dass Anita bei vielen Lesungen dabei war und selber Passagen vorgelesen hat.

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